Der Nachlass Oskar Schlemmers

Nach einer gerichtlichen Einigung im langen Rechtsstreit um den Nachlass des Bauhaus-Meisters Oskar Schlemmer (1888-1943) kommen nun zentrale Werke des Künstlers bei Lempertz zur Auktion. Der im Dezember 2024 geschlossene, gerichtliche Vergleich regelt, wie zahlreiche Gemälde, Aquarelle und Zeichnungen aus dem Bestand der Witwe Tut Schlemmers verteilt werden. Es ging am Ende der Verhandlungen nicht mehr nur um 65 Werke, die damals zu einem Teil im Depot der Stuttgarter Staatsgalerie verwahrt wurden, sondern um den gesamten Nachlass. Teil der Vereinbarung sind auch Schenkungen an ausgewählte Museen. Im November 2024 hatte das Kunsthaus Lempertz als erstes Werk aus dem Nachlass schon die „Freiplastik G“, die wichtigste Plastik aus Schlemmers Bauhaus-Zeit, versteigert. Für die Auktion Ende Mai werden nun zunächst 21 Werke aus dem Schlemmer-Nachlass aufgerufen. Die beiden Toplose sind die großformatige „Komposition auf Rosa“ und der zum malerischen Spätwerk gehörende „Sechs-Köpfe-Fries“. Hinzu kommen überwiegend frühe Arbeiten auf Papier. Abgesehen von Aquarellen mit charakteristischen Köpfen und perspektivisch angelegten Tischgesellschaften, gehört auch eine Vorzeichnung zu dem vielleicht bekanntesten Werk Schlemmers, dem Gemälde „Bauhaustreppe“ von 1932 (Museum of Modern Art, New York), zum Schlemmer-Nachlass. Das Kunsthaus Lempertz freut sich, diese Werke versteigern zu dürfen. Der Auktionator Henrik Hanstein war vom Oberlandesgericht zum Sequester bestellt.

Oskar Schlemmer war auf dem Höhepunkt seines künstlerischen Schaffens, als er 1932 sein bekanntestes Werk „Bauhaustreppe“ (Museum of Modern Art, New York) schuf und sich hierfür paradigmatisch mit der menschlichen Figur und seiner Beziehung zum Raum befasste. Im Zusammenhang mit dieser Inkunabel der Kunstgeschichte schuf Schlemmer auch das Aquarell „Großer Kopf im Profil“. Das in reizvollen Farbakkorden in Blau, Rosé, Ocker und Braun angelegte Aquarell gehört zu einer Gruppe farbiger Arbeiten auf Papier, mit denen Schlemmer ein Thema und dessen Hauptmotive künstlerisch umkreiste. Mit pointierten Hell-Dunkel-Kontrasten, die einen Lichteinfall von rechts evozieren, ist ein männlicher Kopf erfasst, dessen dunkle Silhouette wirkungsvoll vor einen hell-gestreiften Hintergrund gesetzt ist. Meisterhaft arbeitete Schlemmer das Wechselspiel von Licht und Schatten, von Farbmaterie und deren „Verlaufen“ im Beigeton des elfenbeinfarbenen Papiers heraus. Charakteristisch für die Aquarelle dieser Zeit ist auch eine dezidierte Bleistiftrahmung, so dass Kopf und Schultern scharf angeschnitten sind. Im Wesentlichen setzen diese Aquarelle mit Schlemmers Übersiedlung 1929 nach Breslau ein, wo er an der Akademie für Kunst und Kunstgewerbe unterrichtete und – einer Tagebuchnotiz zufolge – mit Euphorie und neuen Ideen sowie großem Erfolg arbeitete: „Barocke Periode? Nicht ohne Gefahren und Verlassen der Strenge, des statisch-konstruktiven Aufbaus zugunsten des Schwungs, gesteigerten Gefühls, in der Folge romantischer Extase.“ (Oskar Schlemmer, zit. nach Ausst. Kat. Gotha 2019, S. 36). Vor allem in Aquarellen wie diesem schlägt sich diese Ekstase nieder.

Das Werk Oskar Schlemmers ist geprägt von der Idee eines rational denkenden Menschen in einer geordneten, modernen Welt. Anhand geometrisch-mathematischer Prinzipien entwickelte er ein von jeglicher Emotion befreites Menschenbild, das er in Werken an der Schwelle zwischen Malerei und Skulptur zum Ausdruck brachte. Die „Komposition auf Rosa“, eine eigenhändige Rekonstruktion des 1916 entstandenen Werks (Baltimore Museum of Art), führt diese Vision auf geniale Weise vor.
Für die 1930 entstandene „Komposition auf Rosa“, ein mit Lack- und Metallfarbe versehenes Leinwandbild mit einer Figur im Holzrelief, schuf Schlemmer eine geometrisch vereinfachte Flächenfigur, die sich über die Diagonale des Bildfeldes erstreckt und von zwei figuralen Elementen flankiert wird. Wie Karin v. Maur es treffend beschreibt, scheint die Jünglingsfigur von den Zehenspitzen bis zum kreisförmigen Kopf von einer dynamischen Spannung durchzogen, die sich in der Rundung des Kopfes ballt und in dem angewinkelten Arm eine Art von Bewegung suggeriert. Die Schrägstellung und der zugespitzte Fuß vermitteln einen labilen Schwebezustand zwischen Stehen und Fallen, der die kleine, rosafarbene Figur unten rechts entgegengesetzt ist (Vgl. v. Maur, Oskar Schlemmer, München 1979, S. 76). Zur Ausgewogenheit der Komposition dienen links oben die in ein Liniengerüst eingeschriebenen Fragmente einer weiteren Figur. Auch wenn die Komposition nahezu flächig gehalten ist, vermitteln die verschiedenen Farbtöne von Beige über Rosé und Grau bis hin zu Schwarz, ihre unterschiedlichen Beschaffenheiten und das leicht erhabene Relief der Hauptfigur einen Eindruck von Räumlichkeit. Wie kaum ein anderes Werk verkörpert die „Komposition auf Rosa“ durch seine besondere Stellung zwischen Architektur, Relief und Malerei den universellen Gedanken des Bauhauses.

Mit dem „Sechs-Köpfe-Fries“ kommt das einzige reine Gemälde aus dem Schlemmer-Nachlass zum Aufruf. Das ursprünglich als Hochformat konzipierte Werk entstand 1930 im Zusammenhang mit Schlemmers wichtigstem Auftrag zur Ausmalung des Rundraums im Museum Folkwang in Essen, in dessen Zentrum das figürliche Brunnenmonument von George Minne (1905/1906) stand. Oskar Schlemmer war 1930 ein angesehener und gefragter Künstler, als er vom damaligen, der Moderne höchst aufgeschlossenen Direktor des Essener Museums Ernst Gosebruch den Auftrag zur Ausschmückung des Essener Rundraums erhielt und sich damit gegen die Entwürfe von Willi Baumeister und Erich Heckel durchsetzte. In Orientierung an den sechs Knabenfiguren des Minne-Brunnens konzipierte Schlemmer neun hochformatige Einzeltafeln mit der Darstellung von farblich und formal reduzierten Jünglingsfiguren. Als Entwurf für eine dieser Tafeln setzte er die Knaben vor einen intensiv gelben Hintergrund. Da sich die Bedingungen des Essener Auftrags mehrfach änderten und Schlemmer immer wieder neue Entwürfe vorlegte, hatte das Gemälde „Die gelben Männer“ – so der Arbeitstitel – bald keine Funktion mehr. Als Schlemmer sich nach längerer Schaffenspause um 1935 mit Gemälden wie „Drei in der Halle“ und „Unterhaltung“ beschäftigte, nahm er das schmale Hochformat „Die gelben Männer“ wieder zur Hand, drehte es zum Querformat und begann die ursprüngliche Darstellung mit einem Fries von sechs Mädchenköpfen komplett zu übermalen. Seine Bildsprache war nun malerischer geworden, so dass seine abwechselnd in Rückenansicht, im Profil und von vorn dargestellten Köpfe eine scheinbar schwebende, bewegte Girlande bilden. Wie es seinem Menschenbild entsprach, handelt es sich um formal reduzierte und von jeglicher Charakterisierung befreite Mädchenköpfe. In seinem Tagebuch schilderte Schlemmer am 15. Februar 1935 den Entstehungsprozess mit folgenden Worten: „Es waren unglaubliche Stadien des Übermalens, das Durchscheinen des intensiv gelb-orangen Grundes gegen neue Dunkelheiten. Selbst jetzt noch, nachdem fast alles zugedeckt ist, geistern die Spuren des darunter befindlichen. […] Es ist eine eigentümliche Stimmung im Bild […], eine mitternächtliche, fluktuierende, phosphoreszierende. Ein bewegtes Lebendiges.“ (zit. nach: Karin v. Maur, Oskar Schlemmer, München 1979, S. 110). Wie von Maur es treffend beschreibt, gewinnt das Gemälde durch die Übermalung eine völlig neue, gesteigerte Qualität, indem die Verschattung der Figuren und der Lichtstreif dem Fries eine hintergründige Tiefe verleihen.

Weitere Werke aus dem Nachlass Oskar Schlemmers finden Sie in der Auktion 1269 - Day Sale - Moderne Kunst.

Auktion

Auktion 1268 - Evening Sale – Moderne Kunst

Photographie Zeitgenössische Kunst Moderne Kunst
Freitag 30. 05. 2025, 18:00
Lot 1 - 77
Auktion 1268
Auktion
Köln
Freitag 30. Mai 2025
18 Uhr | Lot 1 – 77
Vorbesichtigung
KÖLN

Samstag 24. Mai | 10 – 16 Uhr
Sonntag 25. Mai | 11 – 16 Uhr
Montag 26. Mai – Mittwoch 28. Mai
10 – 17.30 Uhr
Donnerstag 29. Mai | 11 – 15 Uhr

Matinée
Samstag 24. Mai | 12 Uhr
Isabel Apiarius-Hanstein und Henrik Hanstein treffen Sebastian Preuss
(Senior Editor WELTKUNST) zum Gespräch über das Erbe
Oskar Schlemmers
________________________________________________
MÜNCHEN
In Auswahl
St.-Anna-Platz 3, 80538 München

Dienstag 6. Mai und Mittwoch 7. Mai
jeweils 10 – 17 Uhr
________________________________________________
BRÜSSEL
In Auswahl
Grote Hertstraat 6, Rue du Grand Cerf, 1000 Brüssel

Vernissage | Samstag 26. April
11 – 17.00 Uhr

Sonntag 27. April 11 – 17.00 Uhr
Montag 28. April und Dienstag 29. April
jeweils 10 – 17.30 Uhr
________________________________________________
BERLIN
In Auswahl
Poststr. 22, 10178 Berlin-Mitte

Vernissage | Montag 12. Mai
18 – 21 Uhr

Dienstag 13. Mai und Mittwoch 14. Mai
jeweils 10 – 17 Uhr
Katalog
PDF-Katalog
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Auktion 1269 - Day Sale – Moderne Kunst

Photographie Zeitgenössische Kunst Moderne Kunst
Samstag 31. 05. 2025
Lot 100 - 307
Auktion 1269
Auktion
Köln
Samstag 31. Mai 2025
11 Uhr | Lot 100 – 307
Vorbesichtigung
KÖLN
Samstag 24. Mai | 10 – 16 Uhr
Sonntag 25. Mai | 11 – 16 Uhr
Montag 26. Mai – Mittwoch 28. Mai
10 – 17.30 Uhr
Donnerstag 29. Mai | 11 – 15 Uhr

Matinée
Samstag 24. Mai | 11 Uhr
Sebastian Preuss trifft Henrik Hanstein und Isabel Apiarius-Hanstein zum Gespräch über das Erbe Oskar Schlemmers
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MÜNCHEN
In Auswahl
St.-Anna-Platz 3, 80538 München

Dienstag 6. Mai und Mittwoch 7. Mai
jeweils 10 – 17 Uhr
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BRÜSSEL
In Auswahl
Grote Hertstraat 6, Rue du Grand Cerf, 1000 Brussels

Vernissage | Samstag 26. April, 11 – 17.00 Uhr

Sonntag 27. April | 11 – 17.00 Uhr
Montag 28. April und Dienstag 29. April
jeweils 10 – 17.30 Uhr
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BERLIN
In Auswahl
Poststr. 22, 10178 Berlin-Mitte

Vernissage Montag 12. Mai | 18 – 21 Uhr

Dienstag 13. Mai und Mittwoch 14. Mai
jeweils 10 – 17 Uhr
Katalog
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