Das Brandenburg-Preußen-Museum

Ist ein privates Museum die Erfüllung aller Sammlerträume? Ein Blick hinter die Kulissen des Brandenburg-Preußen-Museums in Wustrau.

INTERVIEW MIT ANDREAS BÖDECKER STIFTUNGSVORSTAND BRANDENBURG-PREUSSEN MUSEUM, WUSTRAU

Was ist der inhaltliche Schwerpunkt des "Brandenburg-Preußen Museums?"

AB: Kern unserer etwa 600 m² großen Ausstellung ist die Geschichte Brandenburg-Preußens unter den Hohenzollern von 1415-1918. Der Rundgang beginnt mit einer Galerie der 20 Brandenburgischen Kurfürsten, preußischen Könige und Deutschen Kaiser, und sie endet mit der Standarte Kaiser Wilhelms II., die er an seinem Auto führte, als der in er Nacht vom 9. auf den 10.November 1918 aus dem Großen Hauptquartier im belgischen Spa nach Holland floh.

Inhaltliche Schwerpunkte sind die zivilen Leistungen Preußens, nicht Stechschritt und Pickelhaube, sondern der wirtschaftliche Aufstieg der Streusandbüchse des Heiligen Römischen Reiches zur führenden Industriemacht und zum ersten Sozialstaat der Welt.

Unser Standort Wustrau ist Teil dieser Geschichte. Hier, am Südende des malerischen Ruppiner Sees, keine 80 km von Berlin, lebte Hans Joachim von Zieten, der legendäre Husarengeneral Friedrichs des Großen. Sein Schloss, die Kirche mit dem Zieten-Epitaph und der barocken Patronatsloge, das alte Pfarrhaus und der historische Dorfkern künden diese Geschichte bis heute. Nicht ohne Grund lässt Theodor Fontane seine "Wanderungen durch die Mark Brandenburg" hier in Wustrau beginnen.

Welche Ziele haben Sie sich gesetzt, als Sie das Museum vor fünf Jahren von Ihrem Vater übernommen haben?

AB: Als mein Vater Ehrhardt Bödecker das Museum vor 20 Jahren konzipierte, war Preußen noch ein Reizwort, das polarisierte, für viele ein Kampfbegriff. Er vermisste in der Debatte die Würdigung der zivilen Leistungen Preußens. Deshalb widmete er mit dem Museum dem Königreich Preußen und dem Deutschen Kaiserreich ein leidenschaftliches Verteidigungsplädoyer. 

Mittlerweile haben die ehemals heftigen Auseinandersetzungen einer ausgewogeneren Betrachtungsweise Platz gemacht. Heute stehen wir vor der Aufgabe, überhaupt ein Interesse an der Befassung mit unserer Geschichte zu wecken, vor allem bei Jugendlichen. Dazu ist eine andere Darstellungsweise erforderlich, vielseitiger, abwägender und ein eigenes Urteil des Betrachters zulassend. Daran arbeiten wir seit zwei Jahren und berücksichtigen dabei auch die Anregungen unserer Besucher. Der Erfolg bestärkt uns: Über 2.000 Kinder und Jugendliche kommen jetzt jedes Jahr in unser Museum und erschließen sich mit unseren Museumspädagogen jeweils ein besonderes Thema. 2017 ist eines unserer Schülerprojekte Landessieger im Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten geworden.

Welche Bereiche Ihres Museums möchten Sie noch weiter ausbauen und welches Kunstwerk ist dafür ganz oben auf Ihrer Wunschliste?

AB: Das Zeitalter der Aufklärung. Wir haben schöne Porträts zur preußischen Frühaufklärung, was uns fehlt, ist ein Porträt von Moses Mendelssohn.

Was unterscheidet ein privates von einem öffentlichen Museum?

AB: Armut an Geld, Reichtum an Freiheit.  

Warum lohnt sich ein Blick in die preußische Geschichte angesichts der aktuellen politischen Debatten?

AB: Die sprichwörtliche Toleranz Preußens ist nicht vom Himmel gefallen und war den Preußen nicht angeboren. Der Große Kurfürst und die ihm nachfolgenden Könige mussten diese Toleranz mühsam durchsetzen. Um 1700 war plötzlich jeder fünfte Berliner ein calvinistischer Franzose, die Berliner waren lutherisch gesinnt − keine leichte Ausgangslage. Wie diese Integration gelang und zu einer einzigartigen Erfolgsgeschichte wurde, davon können wir heute noch lernen. 

Im 18. Jahrhundert haben Friedrich Wilhelm I. und Friedrich der Große in Preußen den modernen Rechts- und Verwaltungsstaat begründet. Nicht Religion oder Nation hielten diesen Staat zusammen, sondern Vernunft und Rechtsstaatlichkeit. Die Religionsfreiheit machte ihn attraktiv für Zuwanderer. Wer ehrlich war, die vorgefundene Ordnung stützte und etwas beizutragen willens war, war willkommen. Das aufgeklärte Preußen hat Glaubensflüchtlinge und andere Zuwanderer aus vielen Ländern aufgenommen: französische Hugenotten, Salzburger Protestanten, muslimische Tataren, Juden. Das Erfolgskonzept des Vernunftstaates, des „Staates ohne Nation“ (Hinrichs) kann heute wichtige Denkanstöße liefern, zum Beispiel für die europäische Einigung.

Dieser Rationalstaat Preußen ging leider im Nationalstaat Deutsches Kaiserreich nicht auf, sondern unter. Der wirtschaftliche Erfolg nach Überwindung der Gründerkrise und die Erinnerung an den Sieg über Frankreich 1871 ließen das kollektive Selbstbewusstsein der jungen deutschen Nation anschwellen. Der preußische Geist nüchterner Sachlichkeit wurde als altmodisch bei Seite geschoben. Wie kein anderer verlieh der junge Kaiser Wilhelm II. dem herausfordernden nationalen Pathos seiner Zeit Gesicht und Stimme − so sehr, dass die Nachwelt ihn für die Entstehung dieses Pathos verantwortlich machte, obwohl der Zeitgeist nationaler Überheblichkeit am Fin de Siècle gleichermaßen alle Großmächte aufheizte und sie in den 1. Weltkrieg taumeln ließ.