Friedrich II - Dekorateur einer Epoche (1740 - 1790)

Anlässlich der Preußen Auktion haben wir die Zeit zwischen 1701 und 1918 in Kapitel unterteilt, in denen wir die Akteure, Kommentatoren und Stilrichtungen vorstellen. Lassen Sie sich überraschen!

Friedrich II - Dekorateur einer Epoche

Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm? Dieser paternalistische Wunschgedanke traf auf Friedrich II. und seinen Vater Friedrich Wilhelm I., den sogenannten Soldatenkönig, gewiss nicht zu. Im Gegenteil – während Friedrichs Vater alles daran setzte, der Prunksucht seines Vorgängers ein Ende zu setzen und dafür von seinem Hof und Staat eine spartanische Lebensweise forderte, setzte sich unter Friedrich II. ausgerechnet einer der verspieltesten und kunstvollsten Stile durch, den unsere Zeitrechnung vorzuweisen hat: Das Rokoko. Diese Epoche nur als Zeichen einer Dekadenz zu deuten, wäre nicht richtig. Friedrich sah seine Rolle wie er es in seinem politischen Testament 1752 festhielt: „Der Herrscher ist nicht zu seinem hohen Rang erhoben, man hat ihm nicht die höchste Macht anvertraut, damit er in Verweichlichung dahinlebe, sich vom Mark des Volkes mäste und glücklich sei, während alles darbt. Der Herrscher ist der erste Diener des Staates.“ Im Zeitalter des Absolutismus ist diese Umwertung der Werte als ein großer Schritt in die moderne Welt zu verstehen. 

„Der Herrscher ist der erste Diener des Staates.“

Wie passt also die Entwicklung des Rokoko zu Friedrich II.? Man könnte das Rokoko auch als ästhetische Rebellion gegen die geometrische Ordnung lesen, welche der Grundstein eines Militärstaates ist. Vom Feldbett bis hin zur Parade: Überall sortiert das strenge Verhältnis von Vertikalität und Horizontalität die militärische Welt mit dem Ziel von gesteigerter Übersichtlichkeit, Effizienz und Pragmatismus. Im Zeichen des Rokoko wird das genaue Gegenteil zum Ideal. Lineare Formen haben gegen die endlos vielen verzierenden Windungen und Formen keine Chance, den Raum zu ordnen. Alles wird lebendig und bewegt sich so unvorhersehbar wie ein Schleier im Wind. Das Rokoko verweigert sich der Symmetrie. Gesimse, Profile, Ecken und Ränder sind nicht dafür da, einen Raum zu gliedern oder eine Form abzuschließen. Stattdessen dienen sie den dynamisch bewegten Ornamenten oder floralen Girlanden als Kletterstütze. 

Eine Wand, eine Fassade, auch ein Teller oder ein Silberbesteck werden zur Kulisse, zur Grundlage um Geist und Seele anzuregen oder zu entzücken. Vergleichbar mit einer Leinwand ist das Objekt nur noch der Untergrund eines neu geschaffenen Kunstwerks. Mithilfe seiner Förderung entwickelte sich das verspielte und kunstvolle Rokoko, ja er legte sogar selbst Hand an, um seinen Schöpfungen zum Ausdruck zu verhelfen. Sein geliebtes Schloss Sanssouci entsprang einem selbst geschaffenen Entwurf, den er dann mit dem Architekten Georg von Knobelsdorff diskutierte und ausführen ließ. Von Georg Wenzel von Knobelsdorff stammen übrigens zwei besondere Bilder in dieser Offerte (Lot 19). Das Etikett des friderizianischen Rokoko nimmt die französischen und niederländischen Einflüsse auf, versucht allerdings das Manko des Überladenen etwas abzufangen, weswegen man nun einen eigenwilligen Weg zwischen Barock, Rokoko und Klassizismus beschritt. So lässt sich eine ästhetische Handschrift erkennen, die ihre eigenen Schönheitsideale durchsetzt und sich von den maßgebenden Einflüssen des französischen Hofs emanzipiert.

In seiner Jugend wurde Friedrich II. die musische Tätigkeit untersagt, obwohl er stark ausgeprägte Talente fürs Schreiben, Musizieren oder Zeichnen vorweisen konnte. Sein Vater aber hielt nicht viel von derlei Verweichlichung des Charakters, denn er sah darin keinen militärischen Nutzen. Ironischerweise war es am Ende Friedrich, der die Armee einzusetzen wusste, was sein Vater, trotz aller Leidenschaft für das Militär nur einmal, nämlich im Pommernfeldzug von 1715 getan hatte. 

„Kenntnisse kann jedermann haben, aber die Kunst zu denken ist das seltenstes Geschenk der Natur.“

Eine der wenigen kulturellen Brücken zwischen Vater und Sohn war der Hofgoldschmied Lieberkühn, von dem sich ein Paar Gedeckleuchter für Friedrich II. in diesem Katalog finden (Lot 29). Das Ende des zweiten Schlesischen Krieges brachte Friedrich den Zusatz „der Große“ ein. Ein Attribut, welches ihm zwar erhalten blieb, im Verlauf seines Lebens im Volksmund allerdings abgelöst wurde durch den „Alten Fritz“. Der kräftezehrende Siebenjährige Krieg brachte den König des Öfteren in existenzielle Not, belohnte ihn aber mit einem gewaltigen Schatz: Porzellan. Die Berliner Manufakturen von Wegely und Gotzkowsky hatten ab 1751 einige Erfolge verzeichnet, wie die Wegely-Deckelvase (Lot 39) beweist. Doch erst das Knowhow aus dem besiegten Sachsen brachte Friedrich in die Position, 1763 eine eigene Königliche Porzellanmanufaktur zu gründen: Die KPM. Deren Signet ist übrigens bis heute das Zepter aus dem Kurbrandenburgischen Wappen. Friedrich II. sorgte für „seine“ Manufaktur – unter anderem mit umfangreichen Bestellungen, von denen Sie einige in diesem Kapitel entdecken können, wie die Stücke aus dem Service für das Berliner Stadtschloss (Lots 88–97). Friedrich II. war infiziert von der „Maladie de porcelaine“ und hatte schon vorher, während des Siebenjährigen Krieges einige Service in Meißen geordert, mit detaillierter Beschreibung. Aus dieser Zeit stammt unsere Wärmeglocke des später so genannten Möllendorff-Services (Lot 50).

„In meinem Staat kann jeder nach seiner Façon glücklich werden.“

Mit seinem messerscharfen Verstand betätigte er sich als Literat, Historiker, Komponist und galt als Universalgelehrter von großem Ruhm, den sogar seine Feinde bewunderten. Als geistiges Kind der Aufklärung legte Friedrich großen Wert auf das Potenzial des denkenden Individuums. Toleranz war einer der Grundsteine, auf die er seinen Staat zu stützen gedachte. So wusste er, dass sich hier eine der größten Handlungsmotivationen verbirgt, bekräftigte er doch stets: „In meinem Staat kann jeder nach seiner Façon glücklich werden.“ Er förderte die schönen Künste und auch die Philosophie wie kaum ein Zweiter. Er selbst konnte eine umfassende Bildung vorweisen, doch er wusste, dass es mehr bedarf: „Kenntnisse kann jedermann haben, aber die Kunst zu denken ist das seltenste Geschenk der Natur.“ Das wunderbare Porträt des gereiften Königs von Charles-Amédée van Loo (Lot 31) findet schon bei Fontane Erwähnung und ist jedenfalls einen zweiten und dritten Blick wert. Wer sich Friedrich dem Großen nähern möchte, kann dafür auch auf dessen umfassende schriftliche Hinterlassenschaft zurückgreifen. In diesem Katalog finden sich nicht nur zwei originale Handschriften des Preußenkönigs (Lots 28 und 51), sondern auch eine in Maroquin gebundene Gesamtausgabe seiner Werke (Lot 127). 

Vivat Fridericus Magnus

Das Jahr 1745 begann für Preußen unter schwierigen Vorzeichen: Friedrich II. befand sich mitten im zweiten Schlesischen Krieg gegen Maria Theresia, welche am 8. Januar 1745 ihre Kräfte verstärken konnte und eine Quadrupelallianz aus Österreich, den Niederlanden, Großbritannien und Sachsen schmiedete. Trotz der scheinbar übermächtigen Feinde konnten die Preußen im Verlauf des Jahres in den Schlachten von Hohenfriedberg, Soor und Kesselsdorf die Armeen der Allianz schlagen. Infolgedessen kam es am 25. Dezember 1745 zum Frieden von Dresden. In diesem bestätigte Maria Theresia Schlesien als Teil Preußens. Friedrich wurde bei seiner Heimkehr nach Berlin zum ersten Mal als „der Große“ tituliert, so begeistert waren die Berliner. „Vivat Fridericus Magnus“ stand an vielen Häusern. 

„Wer sich an die Phantasie der Menschen wendet, wird immer den besiegen, der auf ihren Verstand einwirken will.“ (Friedrich II.)

Die beiden Leuchter, die Christian Lieberkühn d.J. 1746/47 im Rahmen des „neuen Silbernen Services“ für Friedrich II. schuf, haben daher einen direkten Bezug zu der von ihm beschworenen militärischen „Fortune“ des Zweiten Schlesischen Krieges. Lieberkühn gehörte Mitte des 18. Jahrhunderts zu den hervorragendsten Goldschmieden seiner Zeit. Als Hofgoldschmied gelang es ihm, den Geschmack des Königs umzusetzen, der sich in der Zeit des Friedens stets weiter entwickelte. Die Leuchter von 1746/47 folgen der Formensprache des Barock, während das 1747 eingeweihte Schloss Sanssouci schon viele Elemente des Rokoko in sich vereint. Friedrich hatte persönlich auf die Baupläne von Sanssouci wie auch auf Entwürfe von Porzellan- und Silberarbeiten Einfluss genommen. Es ist also nicht unwahrscheinlich, dass die Leuchter seines Silberservices nicht nur das Monogramm „FR“ tragen, sondern auch von ihm selbst entworfen und verwendet wurden. Silberobjekte aus der friderizianischen Epoche sind äußerst selten auf dem Kunstmarkt zu finden. Denn viele Arbeiten von Berliner Goldschmieden wurden  auf Veranlassung von Friedrich Wilhelm III. eingeschmolzen, um die erste Million der von Napoleon geforderten Kriegsentschädigung bezahlen zu können. So sind nur noch wenige dieser Kostbarkeiten erhalten geblieben.