Preußischer Barock (1701-1740)

Anlässlich der Preußen Auktion haben wir die Zeit zwischen 1701 und 1918 in Kapitel unterteilt, in denen wir die Akteure, Kommentatoren und Stilrichtungen vorstellen. Lassen Sie sich überraschen!

Die Erhöhung des Hauses Brandenburg

„Suum cuique“ lautete der Wahlspruch des ersten preußischen Königs Friedrich I. Auf diesen schwor er die Mitglieder des von ihm gestifteten Hohen Ordens vom Schwarzen Adler ein. „Think big – grow bigger“ wäre auch ein passendes Lebensmotto für ihn gewesen. Seine Ambition, das Herzogtum Brandenburg in eine königliche Monarchie zu verwandeln, beeinflusste schon früh die Entwicklungsgeschichte der bis dahin von anderen europäischen Königshäusern als provinziell angesehenen Region. Sein Streben nach Größe und Anerkennung zog eine nordische Kulturblüte nach sich. Leibniz, der mit dem Königspaar und besonders mit Königin Sophie-Charlotte vertraute universale Geist, schrieb: „Die Aufrichtung des Neuen Preußischen Königreichs ist eine der größten Begebenheiten dieser Zeit. Sie ist eine Zierde des neuen Seculi.“ Zahlreiche Künstler und Architekten versammelten sich in der neuen Residenzstadt, um Friedrichs Vorstellung von einem überwältigenden Auftritt zu verwirklichen. Noch heute prägen seine ambitionierten Bauprojekte die deutsche Hauptstadt: Stadtschloss, Zeughaus, beide Dome am Gendarmenmarkt oder das Schloss Charlottenburg – diesen Bauprojekten ist es zu verdanken, dass die Stadt sich mit dem Spitznamen „Spree-Athen“ schmücken konnte. 

Mit Andreas Schlüter hatte der 1701 sich selbst krönende König den passenden Künstler an seiner Seite, der seine Visionen erst auf Papier und dann in Stein umzuwandeln verstand, und eines gewiss nicht tat, nämlich ihn ausbremste. Aus Schlüters Werkstatt stammten u.a die berühmten Masken sterbender Krieger im Zeughaus, das Bernsteinzimmer oder die Fassaden des Berliner Stadtschlosses. Außerdem wird Schlüters Werkstatt eine Rollwerkkartusche zugeschrieben, in der sich ein Adler mit gespreizten Flügeln aus einem Rocaillenbett aufschwingt (Lot 9). Der königliche Vogel als Sinnbild für den aufstrebenden Herrscher Friedrich I. wurde das Wappentier des neuen Königreichs. Schon im antiken Rom unterstrich der König der Lüfte ikonographisch den hegemonialen Anspruch Roms auf die damals bekannte Welt. Um seine neu erlangte Königswürde sichtbar werden zu lassen, hegte Friedrich I. einen hohen Anspruch an die Beteiligten seines Hofstaats.

Von der Fassade bis zum Teelöffel – alles sollte grenzenlosen Reichtum atmen

Die Ritter des Schwarzen Adlerordens speisten bei ihrer jährlichen Zusammenkunft beispielsweise von einem besonderen Service, welches den Stolz über die Rangerhöhung zum Ausdruck brachte (Lot 6). Von der Fassade bis hin zum kleinsten Detail – alles sollte grenzenlosen Reichtum atmen. So beschreibt Leopold von Ranke den Hof Friedrich I.: „In alter Schweizerart, in weißem Atlas mit goldenen Spitzen verbrämt, prangten die Offiziere seiner Trabanten. Was nur irgend zum Hofe gehörte, Garderobe und Stall, Keller, Küche, Bäckerei, Silberkammer, musste Überfluss zeigen. Vierundzwanzig Trompeter riefen zur Mittagstafel: die Jägerei und vor allem die Kapelle war zahlreich besetzt. Der Fürst ließ sich den kurzweiligen Rat nicht nehmen, der ihm zuweilen im Scherz entdeckte, was ihm von anderen verschwiegen werde; er sah gern ein paar Mohren, einen und den anderen getauften Türken in seinem Dienst. Die blaue Livree der Dienerschaft war bedeckt mit goldenen Galonen, sodass von den rotsamtenen Borten, mit denen sie versehen war, nur die äußersten Ränder erschienen. An der genauen Bestimmung dieser Dinge, der Anordnung prächtiger Feste, nahm er selber Anteil, und man sagte ihm, niemand habe ein größeres Talent dafür.“

Kulturkampf bei Hof: Sparsamkeit, Drill und Disziplin verdrängen barocke Hochstilisierung

Als Friedrich I. im Jahr 1713 starb und sein Sohn Friedrich Wilhelm I. die Macht übernahm, hätte der Kulturschock kaum größer sein können. Mit dem „Soldatenkönig“ zog ein sparsamer, puritanischer Geist ins Haus der Hohenzollern ein. Drill, Gehorsam und Disziplin verdrängten schöngeistige Erhebungen, Kunst und Kultur verloren ihren hohen Stellenwert als Wertevermittler und wurden größtenteils aus dem Staatsetat gestrichen. Akademien wurden geschlossen und bronzene Skulpturen eingeschmolzen und als Kanonen neu gegossen. Friedrich Wilhelm I. ging sogar soweit, dass er das berühmte Bernsteinzimmer im Stadtschloss, von Andreas Schlüter für seinen Vater entworfen, gegen eine Garde von „Langen Kerls“ des russischen Zaren Peter des Großen eintauschte. Das Militär hatte die höchste Priorität und alles, was dem Militär nützlich war, wurde zum Grundstein der preußischen Gesellschaft. Pünktlichkeit, Uniformismus, Treue gehörten nun zu den Disziplinen, mit denen man in Preußen etwas erreichen konnte. Ironischerweise führte der Soldatenkönig sein eigenes Heer bis auf eine kurze Ausnahme nicht in den Krieg. Krieg kostete Geld und ramponierte die sorgfältig aufgebaute und vom König heiß geliebte Armee. So bescherte er dem Land eine außergewöhnlich lange Friedensperiode, in der sich die Staatsfinanzen und die Bevölkerung erholen konnten. 

Zu seinen Errungenschaften gehörte die Einführung der allgemeinen Schulpflicht, wodurch der Analphabetismus zurückgedrängt wurde. Außerdem sorgte er für eine geschickte Einwanderungspolitik, so dass Ostpreußen, von der Pest wüst und entvölkert hinterlassen, wieder belebt werden konnte. Dazu gehörten auch die 1731 aus dem Erzbistum Salzburg vertriebenen Protestanten. Ihr Schicksal findet sich auf den Schraubmedaillen wieder, die die Stationen, natürlich in idealisierter Form, in Bilder festhielten: von der Vertreibung bis hin zur glücklichen, von Gott begleiteten Ankunft im hohen Norden (Lot 13). Dabei stand er durchaus in der Tradition seines Großvaters, des großen Kurfürsten. Dieser hatte 1685 auf die Aufhebung der Religionsfreiheit durch Louis XIV reagiert, indem er das Potsdamer Toleranzedikt erlies. Die Einwanderung der Hugenotten führte zu einem gewaltigen Wissenstransfer und damit zu wirtschaftlicher Blüte. Ein Patent zur Entwicklung von Tapisserien zum Beispiel gewährte der Regent am 7. November 1686 dem Teppichwirker Pierre I. Mercier. Dessen Manufaktur übernahm in der nächsten Generation sein Neffe Jean II. Barraband, auf dessen berühmte Chinesenserie unsere Tapisserie zurückgeht (Lot 12).

Der Hohe Orden vom Schwarzen Adler des Königreichs Preußen

(Michael Autengruber)

Am Vorabend seiner Krönung stiftete König Friedrich I. (1657–1713 als Friedrich III. Kurfürst von Brandenburg seit 1688, ab 1701 König in Preußen) am 18. Januar 1701 in Königsberg den einklassigen Orden für zivile und militärische Verdienste als höchste tragbare Auszeichnung seines neuen Königreichs. Die ersten 19 Ordensritter, darunter vier Prinzen des königlichen Hauses, sowie die wichtigsten zivilen und militärischen Persönlichkeiten Brandenburg-Preußens wurden noch gleichen Tags in einer prunkvollen Zeremonie feierlich investiert, wobei ihnen das als Kleinod bezeichnete goldene und emaillierte Ordenskreuz an der goldenen Ordenskollane eigenhändig vom König auf die Schultern gelegt wurde.

Für den Alltagsgebrauch wurde das Kleinod an einem goldgelben sogenannten Schulterband von der linken Schulter zur rechten Hüfte getragen, und dazu auf der linken Brustseite ein achtstrahliger gestickter sogenannten Bruststern getragen, der später aus Metall gefertigt wurde. Bei feierlichen Ordens-Zeremonien wurde bis zum Ende der Monarchie zudem ein langer roter Ordensmantel mit einem gestickten Bruststern auf der linken Brustseite getragen. 

Der Orden genoss als höchster Orden Preußens bis zum Ende der Monarchie 1918 in ganz Europa hohes Ansehen. Mit der Gründung des Deutschen Reiches am 1. Januar 1871 wurde er aufgrund der dominierenden Rolle Preußens faktisch zum höchsten Orden des deutschen Staates, obwohl er de iure immer ein rein preußischer Orden geblieben ist (da gemäß Reichsverfassung von 1871 die Verleihung von Orden und Ehrenzeichen weiter den Landesfürsten vorbehalten blieb). 

Bis zum 22. Oktober 1918 sind insgesamt 1.328 Ordensritter aus Preußen, den anderen deutschen Bundesländern, den europäischen und vielen außereuropäischen Staaten ernannt worden, darunter zahlreiche Souveräne, Prinzen, Präsidenten, Minister, Staatsbeamte, Botschafter, hohe Militärs, bedeutende Wissenschaftler, Bischöfe und evangelische Geistliche. 

Mit der Ausrufung der Republik durch Philipp Scheidemann (1865–1939) am 9. November 1918 und der Abdankung König Wilhelms II., des Deutschen Kaisers (1859–1941, reg. seit 1888) am 29. November 1918 hörte der Orden als staatliche Auszeichnung faktisch auf zu bestehen, was mit Verabschiedung der Weimarer Reichsverfassung am 31. Juli 1919 durch das in Artikel 109 formulierte Ordensverbot definitiv bestätigt wurde. Allerdings existiert der Orden auch heute noch als Hausorden der Familie Preußen (Hohenzollern).

Grenzenlose Fremdenfreundlichkeit

Nach dem Dreißigjährigen Krieg hatte bereits der Große Kurfürst eine gezielte Zuwanderungspolitik begonnen, welche die verwüstete Mark Brandenburg mit niederländischen Kolonisten und Handwerkern bevölkern sollte. In seinem Edikt von Potsdam (1685) warb Friedrich Wilhelm um die Hugenotten, die aus Frankreich vertrieben wurden. Als gebildete und wohlhabende Bevölkerungsschicht standen ihnen viele Staaten als neue Heimat offen. Etwa zehn Prozent von ihnen, also rund 20.000, kamen nach Brandenburg. 

Auch die im Erzbistum Salzburg lebenden Protestanten lud Friedrich Wilhelm I. 1732 nach Preußen ein. Sein Versprechen lautete, dass „ihnen auch bei ihrer Etablierung in Preußen alle diejenigen Freiheiten, Privilegien, Rechte und Gerechtigkeiten, welche anderen Kolonisten daselbst kompetieren und zustehen, ebenfalls zugute kommen sollen.” Für den beschwerlichen Weg, den wiederum etwa 20.000 Neubürger auf sich nahmen, stellte der König Unterstützung und Zehrgeld zur Verfügung. Viele von ihnen ließen sich in Ostpreußen nieder. Dort hatte die Pest weite Landstriche entvölkert. Im Katalog zur Ausstellung „Preußen – Versuch einer Bilanz” von 1981 heißt es: „Die preußische Bevölkerungspolitik beschränkte sich nicht nur auf die Aufnahme von Glaubensflüchtlingen und religiösen Minderheiten. Einwanderung und Ansiedlung von Kolonisten, die nur die Aussicht auf eine neue wirtschaftliche Existenz ins Land lockte, führten zu einem noch größeren Zuwachs an preußischen Untertanen. Wirtschaftliche und politische Gesichtspunkte der Erschließung des Landes, Gewerbeförderung, Nachwuchspflege für die Armee und Steigerung des Steueraufkommens spielten dabei in jedem Falle eine Rolle.“ (S. 227)