Die KPM und die Chemisch-Technische Versuchsanstalt

von CLAUDIA TETZLAFF

Im Jahr 1878 wurde die Chemisch-Technische Versuchsanstalt in unmittelbarer Nähe zur Königlichen Porzellan-Manufaktur Berlin im Bezirk Charlottenburg, unweit des Tiergartens, als Institut für Lehre und Forschung im Bereich der keramischen Werkstoffe gegründet. Hier wurde durch die wissenschaftliche Forschung namhafter Chemiker wie Hermann Seger, Albert Heinecke und Hermann Marquardt der Grundstein für technologische Neuerungen in der Porzellanherstellung und Dekoration gelegt.

Es gelang, eine neue, mit niedrigerer Temperatur zu brennende Porzellanmasse herzustellen, welche die Voraussetzung für die Entwicklung völlig neuer Dekorationstechniken, Farben und Glasuren bildete. Angeregt durch die Weltausstellungen, auf denen ostasiatische Gefäße mit leuchtenden Glasuren sowie die üppige Ornamentik orientalischer Keramik die Aufmerksamkeit der Besucher fesselten, entwarfen Modelleure und Porzellanmaler der Berliner Manufaktur neue Formen und Dekore. Gefäßformen mit glatten Wandungen entstanden, die Raum für aufwändige Dekortechniken boten und sich von der überbordenden plastischen Gestaltung der Porzellanmodelle im Stil des Neorokoko unterschieden. In ihrer schlichten Eleganz wirkten die neuen Formen zeitlos. Kristall-, Schrumpf und Laufglasuren bildeten als Fond auf Vasen und Dosen die Grundlage für ornamentale Verzierungen, die mit Reliefgold und Emailfarben sowie der Pâte-sur-pâte Technik einzigartige Kunstwerke entstehen ließen.

Einflüsse verschiedener Stilepochen und Kulturen, im Historismus aufgegriffen, verschmolzen mit den neuen Formen des Jugendstils. Der Juwelenschmuck von René Lalique und die fantasievollen Schöpfungen aus Gold, Emaille und Edelsteinen von Peter Carl Fabergé boten den Porzellanmalern der KPM Anregungen für ihre Dekorentwürfe auf Porzellan. So bedeckten Gitternetze aus Reliefgold die Oberflächen der Vasen, schmückten vegetativ fließende Linien den Vasenhals, strebten rankende Blätter und Stiele aus dem Vasenfuß empor um sich in einer Blüte, von Emailtropfen plastisch gehöht, zu vollenden. Die stetig variierenden leuchtenden Farben und Glasuren sowie der unerschöpfliche Reichtum an Motiven aus dem Tier- und Pflanzenreich sorgten dafür, dass eine Modellform ganz unterschiedliche Wirkung erzielte. Während die Oberflächen mancher Porzellanobjekte strukturiert und neu gegliedert wurden, verschmolzen bei anderen Entwürfen Form und Dekor zu einer untrennbaren Einheit.

In einer Zeit, in der durch industrielle Fertigungsmethoden preisgünstiges Porzellan mit Druckdekoren als Massenware hergestellt wurde, entstanden in der KPM Berlin in handwerklicher Tradition gefertigte Unikate. Kostbare, ganz individuell gestaltete Vasen, Dosen und Schmuckteller aus der Berliner Porzellan-Manufaktur wurden zu begehrten Sammlerobjekten. Wie die Sammlung dieser außergewöhnlich schönen Porzellankunstwerke zeigt, bewahren sie ihren einzigartigen schöpferischen Reichtum über die Zeit ihrer Entstehung hinaus.

 

Claudia TetzlaffIn der Königlichen Porzellan-Manufaktur Berlin (damals noch als Eigenbetrieb des Landes Berlin geführt) erlernte ich ab 1982 das Handwerk der Porzellanmalerei und war als Porzellanmalerin mit dem Schwerpunkt reicher Blumendekore bis 2006 im Malereibereich tätig, ab 2007 verantwortlich für das Manufakturarchiv der KPM und seit 2008 zusätzlich als Ausbilderin der Porzellanmaler*innen. Viel Freude bereitete mir auch die Mitwirkung am Aufbau der Dauerausstellung KPM-Welt und zahlreichen Sonderausstellungen mit KPM-Porzellan, die Beiträge für Ausstellungskataloge sowie die Ausarbeitung von Vorträgen zur Geschichte der Porzellanherstellung und Dekoration.