Hein Gravenhorst - Generative Fotografie 1964-1968
Ausstellung
Das Auktionshaus Lempertz zeigt ab dem 24. September 2020 die Ausstellung „Generative Fotografie 1964-1968“ des Künstlers Hein Gravenhorst.
Öffnungszeiten:
25. September – 30. Oktober 2020
Montag – Freitag von 10 bis 15 Uhr und gerne nach Vereinbarung:
+49 30 2787 608-0
berlin@lempertz.com
Am Eröffnungswochenende des EMOP 3./4. Oktober von 11 bis 16 Uhr.
Hein Gravenhorst und seine Fotomechanischen Transformationen
Die Fotomechanischen Transformationen von Hein Gravenhorst ruhten seit einem halben Jahrhundert im Verborgenen und werden hier und jetzt erstmals in einer Einzelausstellung gezeigt. Angesichts ihrer Stellung ist das eine kleine Sensation und das Verdienst einer Galerie, die sich in den vergangenen Jahren verstärkt den bildgebenden Tendenzen der Fotografie gewidmet hat. Es ist ein ästhetisches Programm, das den formgebenden Eigenschaften der Fotografie gegenüber ihren abbildenden und darstellenden den Vorzug gibt. Und im Rahmen der Geschichte dieses Genres kommt den Fotomechanischen Transformationen von Hein Gravenhorst zentrale Bedeutung zu.
Sie zählen zu den Schlüsselwerken der Generativen Fotografie, einer Bewegung der 1960er-Jahre, die das algorithmische Programm und eine strikt methodischserielle Bildauffassung in die Fotogeschichte einführte. Hein Gravenhorst ist ein Exponent und Hauptvertreter dieses Stils. Als einer der vier Künstler ihres ersten Manifests Anfang 1968 in Bielefeld zählt er zu seinen Gründervätern. Dieser Hintergrund mag die eingangs als „Sensation“behauptete Präsentation seiner Arbeiten hier und jetzt noch stützen. Doch beruht sie hauptsächlich auf den Werken des Künstlers, durch die eine radikale, strikt numerisch geprägte Bildauffassung zu einer beglückenden sinnlichen Erfahrung wird.
„Fotomechanische Transformationen entstanden unter dem Aspekt der Programmierung ästhetischer Strukturen, deren Herstellung nach den Erkenntnissen einer übergeordneten, rationalen Ästhetik formal beschreibbar ist und deren Prozess nach zwei Prinzipien aufgebaut ist,“ so die trockene Eingangserklärung Gravenhorsts zu seinen Fotomechanischen Transformationen in unserer Lichtreflex Translation - Rotation, 1965 ersten gemeinsam herausgegebenen und selbst verlegten nur aufgenommen, sondern gemacht, es sind Konstrukte eigener Machart: „You do not take a photo, you make it!“. Diese Erkenntnis ist zu einem Trend geworden, zu einem ‚turn’, und hat zu einer Kultivierung und zur künstlerischen Aneignung eben dieses Transformationsprozesses geführt. Und das nicht nur bildlich, sondern auch begrifflich. So ersetzt der Begriff ‚Bildbearbeitung’ heute den früheren Begriff ‚Bildmanipulation’ – für den gleichen Vorgang, also den kreativen Eingriff in einen vormals auf Abbildungstreue zielenden Fotoprozess. Die Vision der ‚kreativen’ Vorkämpfer hat sich erfüllt, und der Fotoprozess selbst wurde zum Thema, zu einem Gegenstand eigener Art. Das ‚Medium’ Fotografie ist ‚Objekt’ und ein diskursiver Gegenstand künstlerischer und wissenschaftlicher Foren.
Als signifikantes Modell dieser Bewegung können nun die Fotomechanischen Transformationen von Hein Gravenhorst gelten. Mit ihrer geometrischen Klarheit und Transparenz setzten sie ein historisches Zeichen. Sie entstanden mit technischen Mitteln auf der Höhe ihrer Zeit, mit Optik, Chemie und einer ausgefeilten TrickfilmMechanik nach dem damaligen „Stand der Technik“, bei der der Computer noch keine Rolle spielte. Es sind Unikate auf der Basis analoger Mehrfachbelichtungen auf einem fotochemischen Bildträger. Ihr ästhetisches Konzept liegt offen zutage und zeigt in sich selbst schlüssige Entwürfe. Ihr Entstehungsprozess ist Schritt für Schritt nachvollziehbar. Es gibt keine metaphysischen Schatten.
Doch die kunstwissenschaftliche Einordnung der Fotomechanischen Transformationen von Hein Gravenhorst steht noch aus. Vielleicht kann die aktuelle Ausstellung einen Anstoß dazu geben.
Author: Gottfried Jäger
Literatur:
Vgl. Bernd Stiegler (Hrsg.), Gottfried Jäger. Abstrakte, konkrete und generative Fotografie. Gesammelte Schriften. Paderborn 2016.
Generative Fotografie. Arbeiten von Kilian Breier, Pierre Cordier, Hein Gravenhorst und Gottfried Jäger (Kurator), Kat.-Faltbl. mit Texten von Herbert W. Franke und Gottfried Jäger, Kunsthaus Bielefeld 1968.
Hein Gravenhorst und Gottfried Jäger (Hrsg.), Generative Fotografie. Mappenwerk mit 16 Bildblättern, Texten und Biografien der Künstler sowie einem Text von Herbert W. Franke, „Grundlagen der kybernetischen Theorie der Kunst“, Buchdruck, DIN A4, Aufl. 400, Selbstverlag, Bielefeld 1969.
Vgl. Max Bense, Aesthetica. Einführung in die neue Aesthetik, Baden-Baden 1965.
Alfredo Jahr, Poster-Installation, Nederlandse Fotomuseum Rotterdam 2013; desgl. Folkwang Museum Essen 2014.
Expl. vgl.: Henrike Holsing und Gottfried Jäger (Hrsg.), Lichtbild und Datenbild. Spuren konkreter Fotografie, Ausstellung und Katalog, Museum im Kulturspeicher Würzburg 2015.