Murillo, Velázquez und die Liebe der Engländer für die spanische Malerei des „Siglo de Oro“

Die Karmeliten von Carmen Calzada in Sevilla bestellten im 17. Jahrhundert bei zwei großen Künstlern Gemälde für ihr Kloster: im Jahre 1618 bei Diego Velázquez eine Unbefleckte Empfängnis sowie einen Hl. Johannes auf Patmos; eine Generation später, in den 1650er Jahren, die vorliegende Rosenkranzmadonna bei Bartolomé Esteban Murillo. Das spätere Schicksal dieser Gemälde ist vergleichbar, und es ist kein Zufall, dass alle drei von Sevilla nach England gelangten.

Das Zeitalter Napoleons bedeutete auch für Spanien eine unruhige Zeit mit Kriegen, Aufständen und Plünderungen. Es führte zur Exilierung des spanischen Königs, aber auch zu Auflösungen und Säkularisierungen von Klöstern – auch des Klosters Carmen Calzada in Sevilla. Es waren vor allem Engländer, die durch Kennerschaft, Enthusiasmus, aber auch durch ausreichendes Vermögen zahlreiche der Kunstwerke erwarben, die mit einem Male verfügbar waren. So gelangten die beiden Werke von Velázquez aus dem Kloster in den Besitz von Bartholomew Frere, der sich in den Jahren 1809/10 als Diplomat in Sevilla aufhielt. Sie wurden innerhalb der Familie weitervererbt, bevor sie von der National Gallery in London (zu unterschiedlichen Zeiten) erworben wurden.

Die Rosenkranzmadonna von Murillo verblieb zunächst in Sevilla. Dort gelangte sie in den Besitz des Kunstagenten und Kunstsammlers Walter Benjamin Williams, bevor dieser das Gemälde 1834 an Sir William Eden veräußerte.

Die Engländer hatten eine besondere Beziehung zur spanischen Barockmalerei, und es war eine Begeisterung, die im gesamten 19. Jahrhundert anhielt. Diese Begeisterung wurde unter anderem durch die „Spanische Schenkung“ (The Spanish Gift) befeuert: der Duke of Wellington, englischer Held des spanischen Krieges gegen Napoleon, erhielt vom wiedereingesetzten spanischen König Ferdinand VII. als Dank für seine militärischen Erfolge 83 Gemälde zum Geschenk, die Wellington zuvor in der Schlacht von Vittoria vom fliehenden Joseph Bonaparte erbeutet hatte. Darunter befanden sich auch zahlreiche Werke der spanischen Barockmalerei, so auch Gemälde von Velázquez und Murillo. 

Gab es zuvor schon ein Interesse englischer Kunstsammler an der spanischen Malerei, so entstand im Laufe des 19. Jahrhunderts eine große Begeisterung für die Kunst des „Siglo de Oro“. So verfünffachte sich etwa der Import spanischer Kunstwerke nach Großbritannien in den 1830er Jahren, in jener Periode, in der auch die Rosenkranzmadonna nach England gelangte. Und so ist auch zu erklären, dass die National Gallery in London heute eine bedeutende Sammlung spanischer Malerei besitzt. Ausdruck dieser Begeisterung sind auch große Ausstellungen zur spanischen Kunst, die es in England im 19. und frühen 20. Jahrhundert gab, etwa die „Exhibition of Spanish Paintings under the Patronage of Her Majesty the Queen Regent of Spain“ im Jahr 1895/96. Die wichtige Ausstellung umfasste neben Leihgaben der englischen Queen oder der Herzöge von Wellington und Westminster auch die Rosenkranmadonna Murillos, die Eden Madonna.