Joachim Ringelnatz (Hans Bötticher)

Joachim Ringelnatz wurde am 7. August 1883 als Hans Gustav Bötticher in Wurzen geboren. Die Liebe zum Wort(spiel) wurde ihm als jüngstem Sohn des Jugendschriftstellers und humoristischen Dichters Georg Bötticher (1849–1918) bereits in die Wiege gelegt. Der gelehrte, aber gütige Vater mit seinem großen Kreis an Bekannten und Freunden aus Kultur, Politik und Wissenschaft wirkte auf Joachim Ringelnatz einschüchternd, inspirierend und herausfordernd zugleich; im Verhältnis zur Mutter beklagte er fehlende Nähe und Liebe. Die Schule fiel ihm schwer; seine Lehrer empfand er als »Dunkelmenschen« und von den Mitschülern hatte er aufgrund seiner eigentümlichen Physiognomie viel Spott zu ertragen. Ohne Wissen und Billigung der Eltern fuhr er in den Jahren 1901 bis 1905 als Schiffsjunge und Matrose zur See; diese Erfahrung bildete den Hintergrund für sein 1911 publiziertes Schiffsjungen-Tagebuch sowie für seine berühmteste und beliebteste Kunstfigur, den knurrigen Seemann Kuttel Daddeldu, den Joachim Ringelnatz in schwarzhumorigen Gedichten und Balladen auftreten ließ und auf der Kabarettbühne in den 1920er- und 1930er-Jahren auch selbst verkörperte.

Joachim Ringelnatz führte lange ein unstetes Leben und suchte vergeblich nach Orientierung und Sicherheit: Über dreißig Nebenberufe übte der Künstler mit wechselhaftem Erfolg aus, ein geplantes Studium der Handelswissenschaften verhinderte aus unbekannten Gründen der Vater, der dem Sohn aber auch erste Veröffentlichen von Texten vermittelte. Die Auftritte im Münchener Künstlerlokal Simplicissimus markierten einen Meilenstein: Joachim Ringelnatz entwickelte sich mit seinen geistreichen Versen und Bonmots schnell zum »Hausdichter« und geschätzten Freund der dort auftretenden und verkehrenden Künstler, wurde aber nur schlecht bezahlt und machte sich bald aus dem Staub. Nachdem er unter anderem als Wahrsagerin verkleidet in einem Bordell die Zukunft vorausgesagt hatte, arbeitete er als Privatbibliothekar des Grafen Heinrich Yorck von Wartenburg und meldete sich schließlich zu Beginn des Ersten Weltkriegs freiwillig bei der Marine. Es betrübte ihn jedoch, dass er nicht unmittelbar am Schlachtgeschehen teilnehmen durfte und er versuchte vergeblich, dies durch einen Brief an Kaiser Wilhelm II. zu ändern. Nach dem Krieg diente er sich der Novemberrevolution an, erhielt aber nicht die gewünschte Führungsrolle und zog deshalb verstimmt weiter. Im Jahr 1919 verfasste er sein erstes Gedicht unter dem Namen Joachim Ringelnatz, dem er keine besondere Bedeutung beimessen wollte, wenngleich der Vorname Joachim (»Gott richtet auf«) mit seiner lebenslangen Gläubigkeit in Verbindung gebracht wird.

Joachim Ringelnatz malte seine ersten bekannten Ölbilder im Jahr 1905; sie spiegelten seine damalige Lebenswelt wider und zeigten ein Kriegsschiff und ein Dachpanorama. Obwohl er als Kabarettist und Schriftsteller seine großen Erfolge feierte, widmete er sich immer wieder und insbesondere in den Jahren 1920 bis 1932 der Malerei und legte auf diese Tätigkeit, die er schon als Kind mit Ernst und Begeisterung ausgeübt hatte, allergrößten Wert. Obwohl die meisten seiner Bilder deutlich machen, dass Ringelnatz kein ausgebildeter Maler war, bestechen viele davon durch ihre Mischung aus Realismus und Surrealismus. Einige Bilder wurden in den 1930er-jahren als »Entartete Kunst« von den Nationalsozialisten entfernt, andere gingen im Zweiten Weltkrieg verloren, die meisten erhaltenen Werke befinden sich heute in Privatbesitz. Finanzielle Sicherheit erlangte der Künstler für sich und seine 15 Jahre jüngere Frau Muschelkalk Ringelnatz (1898–1977) nie; die berufsbedingt notwenigen Reisen belasteten seine Gesundheit, wiewohl der dabei eine große Begeisterung für das Fliegen entwickelte. 1930 übersiedelte er nach Berlin, wo er vom Auftrittsverbot der NSDAP, deren Aufstieg er lange nicht ernst genommen hatte, schwer getroffen wurde und nur durch finanzielle Hilfen seiner Freunde überhaupt seinen Lebensunterhalt fristen konnte. Auch seine Bücher wurden großenteils beschlagnahmt und vernichtet, so dass ihm keine Verdienstmöglichkeit als Künstler mehr blieb.

Joachim Ringelnatz starb am 1. November 1934 in Berlin.