Tilman Riemenschneider blieb mit seiner Kunst stets den Menschen zugewandt, schuf Werke mit Seele, die auch heute nichts von ihrer ursprünglichen Faszination eingebüßt haben. Der deutsche Bildhauer verlieh seinem Werk eine besondere Ausdruckskraft, die an der Schwelle von Spätgotik und Renaissance einen unerreichten Höhepunkt der bildenden Kunst darstellt.
(...) WeiterlesenTilman Riemenschneider - Ungewisse Lehrjahre, Erfolge als freier Meister in Würzburg
Tilman Riemenschneider wurde um das Jahr 1460 herum in Heiligenstadt geboren. Nachdem sein Vater im Zuge der Mainzer Stiftsfehde seinen Besitz verloren hatte, floh dieser mit der ganzen Familie nach Osterode und fand dort ein Auskommen als Münzmeister. Die Lehr- und Gesellenjahre von Tilman Riemenschneider liegen weitgehend im Dunkeln, doch geht man davon aus, dass er in Straßburg und Ulm bei den Nachfolgern des stilbildenden niederländischen Bildhauers Niclas Gerhaert van Leyden sein Handwerk erlernt hat. Wahrscheinlich studierte er auch die Kunst von Martin Schongauer, auf dessen Kupferstiche er später Bezug nahm. Durch die Heirat mit der Witwe eines Goldschmieds erwarb Tilman Riemenschneider das Bürgerrecht der Stadt Würzburg, wo er als freier Meister so große Erfolge feierte, dass er bald mehrere Häuser, Grundbesitz und eine Werkstatt mit zahlreichen Angestellten besaß. Als bedeutende Persönlichkeit der Stadt Würzburg wurde er in den Unteren Rat der Stadt gewählt, dem er mehr als 20 Jahre angehörte. Seine ausgezeichneten gesellschaftlichen Verbindungen verschafften dem Künstler viele prestigeträchtige Aufträge.
Trotz enger Vorgaben schuf der Künstler etwas völlig Neues
Tilman Riemenschneider signierte grundsätzlich keines seiner Werke und arbeitete mit einer hohen Zahl an Mitarbeitern zusammen, denen er häufig nur die Entwürfe lieferte und die eigentliche Ausführung überließ. Dieser Umstand macht es auch für Experten zu einer Herausforderung, das völlig eigenhändige Werk des Meisters von den Erzeugnissen seiner Werkstatt zu unterscheiden. So ordnet man Werke dem Künstler selbst, seiner Werkstatt und seinem Umkreis zu. Ein Schwerpunkt im Schaffen Riemenschneiders stellten Altarschreine dar, bei denen er stets genaue Vorgaben zu beachten hatte und wenig künstlerische Freiheit genoss. Umso beeindruckender ist die hohe schöpferische Individualität, die das Werk von Tilman Riemenschneider kennzeichnet und seine Werke unverkennbar macht. Die detailfreudige Ausarbeitung ist das eine, noch auffälliger aber ist die lebenswirkliche Ausdruckskraft der Gesichter seiner Figuren. Viele seiner Skulpturen waren auf reine Holzsichtigkeit ausgelegt und wurden erst von seinem zeitgenössischen Kollegen Jakob Mülholzer koloriert. Riemenschneider unterrichtete eine Vielzahl von Schülern, die heute kaum mehr fassbar sind, doch zählen große Namen wie Peter Breuer oder Philipp Koch dazu.
Eine große Künstlerlaufbahn endete im Deutschen Bauernkrieg
Tilman Riemenschneider fand sich während des Deutschen Bauernkriegs inmitten eines Aufstands der Würzburger Bürger gegen den einflussreichen Fürstbischof Konrad II. von Thüringen wieder, musste für seine Unterstützung der rebellierenden Bauern mit Kerkerhaft und Folter bezahlen. Er verlor die Hälfte seines Vermögens, wohl aber nicht seine Hände, wie es die Legende lange Zeit behauptet hat. Allerdings erhielt der Künstler nach seiner Haftentlassung keine größeren Aufträge mehr und verbrachte den Rest seines Lebens mit seiner vierten Frau in großer Zurückgezogenheit.
Tilman Riemenschneider starb am 7. Juli 1531 in Würzburg. Zwei Söhne traten in die künstlerischen Fußstapfen des Vaters: Georg Riemenschneider (auch Jörg Riemenschneider genannt) übernahm die väterliche Werkstatt, Bartimä Dill Riemenschneider machte sich als Maler in Südtirol einen Namen. Erst als im 19. Jahrhundert durch Zufall sein Grabstein wiederentdeckt wurde, brachte dies den Künstler und sein Werk wieder ans Licht der öffentlichen Aufmerksamkeit. Inzwischen wurden eine Würzburger Schule, eine Gaststätte und sogar ein Asteroid nach Tilman Riemenschneider benannt, der heute vielen Kennern als größer Bildschnitzer der Zeit um 1500 gilt.
Tilman Riemenschneider - Werke, die bereits im Kunsthaus Lempertz verkauft wurden: