Heinrich Riebesehl

Heinrich Riebesehl wurde am 9. Januar 1938 in Lathen an der Ems geboren. Der Sohn eines Steinsetzers und Wachtmeisters besuchte auf dem Weg zur Mittleren Reife Volks- und Mittelschule in Lathen und begann bereits als Schüler, mit einer Agfa-Silette-Kleinbildkamera zu experimentieren. Die 1958 abgeschlossene Lehre zum Drogisten erlaubte ihm die Vertiefung seiner Kenntnisse im Fotolabor der Drogerie. Heinrich Riebesehl suchte den Kontakt zu Amateurfotografenvereinen, versuchte sich an Kurzfilmen – unter anderem mit einem Werbefilm für den Christlichen Verein Junger Männer, dem er auch selbst zeitweilig angehörte – und konnte erste Bilder im Drogisten-Fachblatt veröffentlichen. Finanziell unterstützt von seiner Frau begann Heinrich Riebesehl 1963 ein Fotografie-Studium an der Folkwangschule für Gestaltung in Essen bei Otto Steinert (1915–1978). Obwohl er sein Studium nach einem Konflikt mit Steinert für kurze Zeit unterbrach, konnte er es nach der Aussöhnung mit der Gesamtnote »Sehr gut« abschließen.

Heinrich Riebesehl hatte bereits während seines Studiums mehrere Auslandsreportagen durchgeführt und in den 1950er Jahren als freier Mitarbeiter für eine Lokalausgabe der Westfälischen Nachrichten fotografiert und kurze Textbeiträge verfasst. Ende der 1960er Jahre folgte er Joachim Giesel (*1940) als Bildjournalist bei der Hannoverschen Presse nach. Auch nach seinem Studium blieben Reportagen ein wichtiger Bestandteil seiner Arbeit. Sein berühmtestes Foto gelang ihm indes noch als Student: Im Juli 1964 dokumentierte er an der Technischen Hochschule Aachen das Festival der neuen Kunst, an sich unter anderem Robert Filliou (1926–1987), Wolf Vostell (1932–1998) und Joseph Beuys (1921–1986) beteiligten. Letzteren fotografierte Heinrich Riebesehl mit Kruzifix und blutiger Nase, die ihm ein empörter Zuschauer geschlagen hatte. Von diesem Erfolg war es nur ein kleiner Schritt zur Porträtfotografie: Für seine Serie Gesichter fotografierte Riebesehl Fremde und Freunde vor einem neutralen Hintergrund, für das Projekt Menschen im Fahrstuhl nahm er zufällige Begegnungen mit verstecktem Auslöser auf.

Heinrich Riebesehl nahm sich als Fotograf immer mehr zurück und verzichtete auf eine künstliche Inszenierung zugunsten einer höheren Wirklichkeitsnähe. Dabei entwickelte er eine Bildsprache, die zunehmend von kühler Poesie und Melancholie geprägt war und sich deutlich absetzte von seinen frühen Ideen der 1970er Jahre, die noch weitgehend den Ideen des Magischen Realismus verhaftet waren. Auf jedwede fototechnische Manipulation verzichtete Riebesehl bewusst, allerdings führte er eine Wasserwaage mit sich, um seine Perspektive auszutarieren. In späteren Jahren erkundete er die Spuren der Zivilisation in der Landschaft und fotografierte menschenleere Architekturen. Er wolle Bilder über die Dinge und nicht mit den Dingen machen, fasste er selbst seinen Ansatz in Worte. Für sein fotografisches Werk erhielt Heinrich Riebesehl Preise und Auszeichnungen, darunter 1971 die Silberne Ehrennadel des CentralVerbands Deutscher Berufsphotographen, 1978 den Kodak-Fotobuchpreis für seinen Bildband Situationen und Objekte, 1999 den Kunstpreis der Stadtsparkasse Hannover und 2009 den Niedersächsischen Staatspreis.

Heinrich Riebesehl starb am 31. Oktober 2010 in Hannover.