Ruth Bernhard

Ruth Bernhard wurde am 14. Oktober 1905 bei Berlin geboren. Die Tochter des Typografen und Plakatmalers Lucian Bernhard (1883–1972) pflegte nach der frühen Scheidung ihrer Eltern ein enges Verhältnis zu ihrem Vater und wurde von diesem in ihren künstlerischen Bestrebungen sehr gefördert und unterstützt. So konnte sie von 1925 bis 1927 an der Universität der Künste Berlin ein Studium der Kunstgeschichte und Typografie absolvieren, ehe sie ihrem Vater nach New York City folgte. In den USA fand Ruth Bernhard eine Anstellung als Assistentin des Fotografen Ralph Steiner (1899–1986) bei der Zeitschrift Delineator. Steiner löste das Arbeitsverhältnis allerdings bald wegen einer aus seiner Sicht ungenügenden Leistung Bernhards auf, die gezahlte Abfindung ermöglichte der jungen Künstlerin die Anschaffung einer eigenen Kamera. Ende der 1920er Jahre bewegte sich Ruth Bernhard in der lesbischen Subkultur der Künstlerszene Manhattans und befreundete sich mit der Fotografin Berenice Abbott (1898–1991) und deren Lebenspartnerin, der Kunstkritikerin Elizabeth McCausland (1899–1965).

Ruth Bernhard begann in der von sexueller Freizügigkeit geprägten Umgebung des New Yorker Künstlermilieus in den frühen 1930er-Jahren damit, nackte Frauen zu fotografieren. 1935 kam es am Strand von Santa Monica zu einer ungeplanten Begegnung mit Edward Weston (1886–1958), dessen Bilder einen tiefen Eindruck auf sie machten. Bernhards Bewunderung für Weston reichte so weit, dass sie sogar für eine Zeit lang nach Kalifornien zog, wo dieser lebte. 1939 kehrte sie für acht Jahre nach New York zurück und lernte dort Alfred Stieglitz (1864–1946) kennen. 1944 begann Ruth Bernhard eine Beziehung mit der Designerin Eveline (Evelyn) Phimister (1908–1996), mit der sie nach Kalifornien zog. In Hollywood begann sie eine Karriere als Werbefotografin; 1953 übersiedelte das Paar nach San Francisco, wo Ruth Bernhard auf namhafte Fotografenkollegen wie Ansel Adams (1902–1984), Imogen Cunningham (1883–1976), Minor White (1908–1976) und Wynn Bullock (1902–1975) traf.

Ruth Bernhard schuf ihr wohl berühmtestes Foto im Jahr 1962: Das Bild Two Forms zeigt die aneinandergepressten nackten Körper einer schwarzen und einer weißen Frau, die auch im echten Leben ein Liebespaar waren. Bernhard fotografierte praktisch ausschließlich in Schwarz-Weiß, von ihren Experimenten mit der Farbfotografie ist nichts erhalten. Neben ihren berühmten Aktbildern fotografierte sie gelegentlich auch andere Motive; mit Melvin Van Peebles (1932–2021) veröffentlichte sie einen Bildband über die bekannten Cable Cars von San Francisco. Für die darin veröffentlichten Bilder wich sie nicht nur von ihrem üblichen Sujet ab, sondern änderte auch ihre Arbeitsweise: Während sie sonst fast ausschließlich in ihrem Studio fotografierte und auf ausgeklügelte Lichtstimmungen achtete, entstanden hier Aufnahmen, die das Innenleben der Cable Cars zeigten.

 

Ruth Bernhard starb am 18. Dezember 2006 in San Francisco.