Alfred Kubin erwachte nicht aus seinen Albträumen, sondern malte sie und hielt sie fest als ein verstörendes Zeugnis für ein bis heute fasziniertes Publikum, das sich von den schwarzromantischen Fantasien des österreichischen Künstlers nur zu gern um den Schlaf bringen lässt.
(...) WeiterlesenAlfred Kubin - Fotografenlehre, Malunterricht und schriftstellerisches Debüt
Alfred Kubin wurde am 10. April 1877 in Leitmeritz im Königreich Böhmen (heute Tschechien) geboren. Nach dem Besuch des Gymnasiums in Salzburg absolvierte er ab 1892 eine Lehre bei einem Fotografen in Klagenfurt. In München erhielt er Malunterricht an der Privatschule von Ludwig Schmid-Reutte. Ein weiterführendes Studium der Malerei an der Königlichen Akademie bei Nikolaus Gysis brach Alfred Kubin vorzeitig ab. Im Jahr 1905 unternahm er mehrere Studienreisen, ehe er sich auf dem Herrensitz Schloss Zwickledt bei Wernstein am Inn niederließ. Den Erwerb des liebevoll »Schlössl« genannten Anwesens hatte seine frisch angetraute Frau Hedwig ermöglicht, die er als wohlhabende Witwe im Haus des Schriftstellers Karl Wolfskehl kennengelernt hatte. Sie war eine Schwester des populären Gesellschaftsschriftstellers Oscar A. H. Schmitz, mit dem Alfred Kubin später ganz Europa, Nordafrika und Russland bereiste. Bereits in den ersten Jahren auf Schloss Zwickledt verfasste Kubin seinen berühmten phantastischen Roman Die andere Seite, den er 1909 mit selbstgestalteten Illustrationen veröffentlichen konnte. Obwohl der Roman nie ein breites Publikum fand, gilt er als prägend für Größen der Phantastik wie Franz Kafka, Gustav Meyrink und die deutschen Surrealisten.
Zahlreiche Buchillustrationen, Affäre mit Emmy Haesele
Gemeinsam mit Karl Hofer, Marianne von Werefkin, Adolf Erbslöh, Wassily Kandinsky, Gabriele Münter und Alexej von Jawlensky gründete Alfred Kubin die Neue Künstlervereinigung München, aus der 1911 der Blaue Reiter hervorging, an dessen zweiter Ausstellung sich auch Kubin mit grafischen Arbeiten beteiligte. Sehr aktiv war der Künstler als Buchillustrator, zahlreiche Klassiker von Edgar Allan Poe, Elias Canetti und Dostojewski versah er mit seinen abgründigen Zeichnungen. Alfred Kubin pflegte mit dem Wissen seiner sich fügenden Frau zahlreiche Affären, deren folgenreichste die Beziehung zu Emmy Haesele war. Die Ehefrau des verdienten Arztes Dr. Hans Haesele konnte auch nach dem von Kubin abrupt herbeigeführten Beziehungsende nicht von dem Maler lassen und stellte ihm erfolglos nach. Die unglückliche Liebschaft führte aber dazu, dass Emmy Haesele selbst mit dem Zeichnen und Malen begann. Kubin wiederum verarbeitete diese Zeit in seiner Lithografie-Serie Ali, der Schimmelhengst, in der die Geschichte eines ungestümen Tartarenpferdes erzählt wird, das in trauriger Einsamkeit endet.
Kubins düstere Traumwelten als »Entartete Kunst«
Alfred Kubin führte eine umfangreiche briefliche Korrespondenz, unter anderem mit Karl Rössing, Hermann Hesse, Hans Fronius und Otto Coester. Für das Drama Rauhnacht von Richard Billinger entwarf er das Bühnenbild der Uraufführung unter Otto Falckenberg. Mit Billinger verband ihn eine wechselseitige Beziehung, er setzte sich zeichnerisch mit dessen Werk auseinander und dieser widmete Kubin wiederum einige Gedichte. Die fantasievollen, abgründigen Phantasmagorien, die Kubin oft in fiebriger Strichführung festhielt, waren überwiegend von Max Klinger, Edward Munch, James Ensor, Francisco de Goya und Odilon Redon inspiriert. Für die Nationalsozialisten waren die düsteren Traumvisionen des Künstlers »Entartete Kunst«, doch erteilten sie Kubin kein Ausstellungsverbot, sodass er trotz der Beschlagnahmung von 63 Werken weitere Zeichnungen publizieren konnte – sogar in einer NS-Propagandazeitung.
Alfred Kubin starb am 20. August 1959 in Zwicklstedt. Der Bildhauer Karl Prantl entwarf seine Grabstelle.
Alfred Kubin - Werke, die bereits im Kunsthaus Lempertz verkauft wurden: