Harry Bertoia

Harry Bertoia - Zu groß für die Provinz: Emigration nach Amerika

Harry Bertoia wurde am 10. März 1915 in dem kleinen, ländlich geprägten Ort Arzene geboren. Zu dieser Zeit war Italien noch Monarchie und der kleine Harry hieß Arri Bertoia – erst mit der späteren Emigration nach Detroit kam die Angleichung des Namens an amerikanische Gepflogenheiten. Schon früh verstand es der Künstler, von seinem Talent zu profitieren: Mit täuschend echt nachgezeichneten Billetts soll er sich gelegentlich das Geld für einen Kinobesuch gespart haben. Als man in seiner Heimat auf die Fähigkeiten des jungen Arri aufmerksam wurde, kamen die jungen Bräute zu ihm, um sich ihre Leinenstickmuster für den Hochzeitstag entwerfen zu lassen. Die spärlichen finanziellen Mittel der Familie erlaubten zunächst nur den Besuch von Abendkursen, doch musste der Zeichenlehrer des jungen Künstlers bald eingestehen, dass er Bertoias Talent nicht in ausreichendem Maß fördern konnte. Also folgte Arri Bertoia im Alter von fünfzehn Jahren seinem älteren Bruder Oreste in die USA.

Künstlerische Reifejahre in Detroit, wertvolle Kontakte

Harry Bertoia besuchte in Detroit mit der Unterstützung seines Bruders die Cass Technical High School und erlernte außerdem das Juweliershandwerk. Trotz der ungewohnten Umgebung und der anfänglichen Sprachbarriere fand sich der begabte Künstler schnell zurecht und konnte auch sein neues Umfeld von seiner umfassenden Begabung überzeugen. 1938 bekam er ein Stipendium, das ihm den Besuch der Cranbrook Academy of Art erlaubte, wo er mit den renommierten Architekten Edmund Bacon und Walter Gropius in Berührung kam und mit Ray Eames, Charles Eames und Florence Knoll einige wichtige künftige Weggefährten kennenlernte. Harry Bertoia schaffte den Sprung vom Studenten zum Dozenten, übernahm die Leitung der schuleigenen Metallwerkstatt und entwickelte verschiedene innovative Techniken der Metallverarbeitung. Auf dem Höhepunkt des Zweiten Weltkriegs reagierte Bertoia auf die kriegsbedingte Metallknappheit mit einer verstärkten Hinwendung zur Grafik und profilierte sich auf dem Gebiet der Drucktechnik. Noch vor Kriegsende folgte Harry Bertoia seinen Freunden Ray und Charles Eames nach Kalifornien.

Bertoias Vermächtnis: Diamond Chair und Klangskulpturen

Harry Bertoia entwickelte gemeinsam mit Charles und Ray Eames den Lounge Chair Metal, wurde bei dessen Präsentation unter dem Namen Eames Chair im New Yorker Museum of Modern Art aber rüde übergangen, sodass er die Zusammenarbeit beendete und stattdessen der Einladung seiner ehemaligen Kommilitonin Florence Knoll folgte, die ihn als Möbeldesigner für die neu gegründete Firma ihres Mannes Hans Knoll anwerben wollte. Tatsächlich feierte Harry Bertoia mit diversen Möbeln große Erfolge, darunter der berühmte und bis heute produzierte Diamond Chair, der zwischenzeitlich sogar zum Gegenstand eines Rechtstreits wurde. Die eigentliche Liebe von Harry Bertoia galt aber der Skulptur, der er sich mit großer Hingabe widmete – finanziert durch die Verkaufserfolge seiner Möbel. Für den Eero Saarinen entwarf er verschiedene großformatige Skulpturen, die dessen Bauten zierten. Sein Interesse an der Musik führte zu einer Serie von Klangskulpturen aus seinem bevorzugten Werkstoff Metall. Es sollten Instrumente sein, die von jedermann ohne Vorkenntnisse zu spielen wären – ihren Klang hat der Künstler auf mehreren Langspielplatten unter dem Titel Sonambient dokumentiert.

Harry Bertoia starb am 6. November 1978 in Barto im US-Bundesstaat Pennsylvania. Mit seiner Frau Brigitta Valentiner hatte er drei Kinder.