Sophie Calle

Sophie Calle – Voyeurismus als Mittel der Kunst

Sophie Calle wurde am 9. Oktober 1953 in Paris geboren. Die Tochter eines Kunsthändlers und einer Chirurgin wuchs nach der frühen Trennung ihrer Eltern seit ihrem zweiten Lebensjahr bei ihrer Mutter auf. Lange war sie eine Suchende, arbeitete als Barfrau und Stripteasetänzerin, reiste sieben Jahre lang durch die Welt, in die USA, nach Mexiko und in den Libanon. Zur Fotografie kam Sophie Calle 1978, als sie in Kalifornien ihre ersten Bilder aufnahm. Die Kamera wurde auch zum unverzichtbaren Bestandteil ihrer ersten Kunstaktion: Um sich nach ihrer langen Abwesenheit wieder in Paris einzugewöhnen, suchte sie sich besondere »Stadtführer«, die sie in der ihr fremd gewordenen Umgebung unbemerkt bei der Hand nahmen. Sophie Calle verkleidete sich mit Perücke und Regenmantel, folgte unbekannten Menschen durch die Stadt und machte dabei zahlreiche Fotografien und Notizen. Später fasste sie die Bilder und Aufzeichnungen zu einem Kunstprojekt zusammen, dessen voyeuristischer Aspekt programmatisch für ihre künftige Arbeit wurde.

Ein Skandal brachte den Weltruhm

Sophie Calle wurde über Nacht berühmt – mit einem Skandal, den ihr umstrittenes Werk Das Adressbuch auslöste. Anstoß für das Projekt war der Zufallsfund des titelgebenden Adressbuches, das eine ihr unbekannte Person verloren hatte. Sophie Calle rief die darin verzeichneten Kontakte an und befragte sie ausführlich über den unbekannten Adressbuch-Inhaber. Daraus entstand eine Collage voller intimer Einzelheiten, die ein präzises Porträt über Liebschaften, Eigenarten, Berufsleben und Persönlichkeit über den Mann, den die Künstlerin ihrem Publikum als »Pierre D.« vorstellte. Dieser zeigte sich empört und revanchierte sich mit der Veröffentlichung eines Nacktfotos von Sophie Calle, das aus ihrer Zeit als Stripperin stammte. Nach heftigem Streit einigte man sich darauf, das Werk bis zum Tod von »Pierre D.« unter Verschluss zu halten. Der amerikanische Schriftsteller Paul Auster ließ sich von diesem Skandal inspirieren, manche Kritiker unterstellten der Künstlerin auch eine gewollte Inszenierung – zu literarisch kommen viele Aussagen über den Porträtierten daher.

Das Private wird öffentlich zum Kunstwerk

Sophie Calle bediente sich für ihre Kunst immer wieder am Leben anderer Menschen: Für ihr Projekt Hotel arbeitete sie als Zimmermädchen in einem Hotel und spionierte die Gäste aus. Auch sich selbst schonte die Künstlerin nicht: Sie ließ sich von einem Privatdetektiv beschatten, dem sie wiederum einen heimlichen Verfolger nachschickte. Die Ergebnisse dieser Doppelbeschattung verarbeitete Calle zu ihrer Präsentation Schatten. Für ihre Aktion Zimmer mit Aussicht verbrachte sie eine Nacht auf dem Eiffelturm und ließ sich von fremden Menschen Gute-Nacht-Geschichten vorlesen. Als sie für den französischen Pavillon der Biennale di Venezia 2007 einen Beitrag leisten sollte, wählte sie eine private Mail, in der ihr Ex-Freund die Beziehung mit ihr beendet hatte, und ließ diese von 107 Frauen mit unterschiedlichem Bildungshintergrund interpretieren, um ihre eigene Sprachlosigkeit angesichts der Trennung zu überwinden. Sie selbst sieht sich weder als Fotografin noch als Schriftstellerin, sondern als Künstlerin im umfassendsten Sinne. Weil sie mit ihren Bildern nicht immer zufrieden ist, beauftragt sie manchmal auch professionelle Fotografen mit der Arbeit nach ihren Vorgaben.

Sophie Calle lebt und arbeitet abwechselnd in Malakoff nahe Paris und in New York.