Mo Edoga verstand das Chaos als die Ordnung der Natur, und er bemühte sich mit seiner Kunst, dieser Erkenntnis gerecht zu werden und alles mit allem zu verbinden. Dabei trieb den aus Nigeria stammenden Künstler eine tiefe Liebe und Sorge zur »Mutter Erde« an, die Ausgangspunkt und Ziel seiner schöpferischen Arbeit darstellte.
(...) WeiterlesenMo Edoga - Verheerendes Hochwasser schafft Kunst
Mo Edoga wurde 1952 in Nigeria geboren. Seine erste Brücke nach Deutschland schlug er im Rahmen seines Medizinstudiums, das ihn nach Heidelberg führte. Im Anschluss kehrte er nach Südafrika zurück und praktizierte eine Zeit lang als Neurochirurg in Johannisburg. Aber der Ruf der Kunst führte in 1982 wieder nach Deutschland: In Mannheim bezog er auf der Friesenheimer Insel einen geräumigen Atelierkomplex beziehen, die Villa hatte vormals als Direktorenwohnung gedient. Zur Kunst fand Mo Edoga als Autodidakt, und entsprechend unorthodox fiel seine Herangehensweise aus. Nach dem Jahrhunderthochwasser von Rhein und Neckar im Jahr 1988 schöpfte er aus dieser Katastrophe die Inspiration und den Werkstoff für sein erstes aufsehenerregendes Kunstprojekt: Mo Edoga sammelte das nach dem Rückgang der Flut allerorten zu findende Schwemmholz und nutzte es als Grundlage für sein großes Werk (Huldigung an) Vater Rhein und Mutter Neckar, seine erste nichteuklidische Plastik, ein Turm, dessen tragende Elemente aus Schwemmholz der Flüsse Rhein und Neckar bestehen.
»Sorgen um Mutter Erde« als treibende Kraft
Mo Edoga bezeichnete seine »Sorgen um Mutter Erde« als die treibende Kraft, die ihn vom Arzt zum Künstler werden ließ. Folgerichtig schöpfte er zwar seine Inspiration und seine Materialien aus der Natur, aber er achtete sorgfältig darauf, dass es dabei zu keiner »Materialverletzung« kam, wie er selbst es formulierte. Das Schwemmholz, das er als häufigen Werkstoff nutzte, wurde der Natur nicht entrissen, sondern von ihr ohne Zwang dem Künstler zugetragen. Mo Edoga hatte für seine Kunst ein Prinzip entwickelt, das er »nichteuklidisch« nannte – darunter verstand er die Verbindung von allem mit allem, die Erhebung des Chaos zum Ordnungsprinzip. Das schloss die Verwendung von nichtorganischen Materialien mit ein: Für seine Holzkonstruktionen verarbeitete Edoga auch Plastikteile wie und ähnliche Fundstücke. Die Verbindung der verschiedenen Werkstoffe ging ebenfalls auf möglichst natürlichem Weg vonstatten: Der Künstler verzichtete auf Nägel und Schrauben, sondern beschränkte sich Kunststoffbänder, die er als »Ariadnefäden der Weltgeschichte« verstand. Wie Ariadnes Faden dem griechischen Heros Theseus den Weg durch das Labyrinth des Minotaurus wies, wollte Edoga der Menschheit einen Weg aus dem Labyrinth der Selbstzerstörung zeigen und die allgegenwärtige Technokratie durch ein intuitives, naturnahes Lebensprinzip ersetzen. Von den Mächtigen der Welt wurden diese Mahnungen häufig als Störsignal empfunden.
Die große Himmelskugel blieb unvollendet
Mo Edoga begann ein weiteres aufsehenerregendes Projekt im Rahmen der documenta IX, die als eine Ausstellung der Außenseiter bezeichnet wurde. Über die gesamten hundert Tage der Ausstellung baute der Künstler mit seinen ikonischen gelben Handschuhen an einem neuen Turm aus Balken und Ästen, den er »Signalturm der Hoffnung« nannte, und suchte dabei auch immer wieder das Gespräch mit Besuchern. In Anspielung auf Jonathan Borofskys Man Walking to the Sky (»Himmelsstürmer«) betonte er, dass sein Turm den wahren Weg zum Himmel weise. Ähnlich ambitioniert ging Egoda auch sein letztes großes Werk an: Die Himmelskugel in seiner Wahlheimat Mannheim baute er, nicht zur ungetrübten Freude aller Anwohner, auf dem Carl-Reiss-Platz aus Ästen, Balken und Brettern. Das Schwemmholz, das in Mannheim nicht überreich zu finden ist, kam aus Fulda, und als die Vorräte zur Neige gingen, holte sich der Künstler Restholz von umliegenden Baustellen – was wiederum der Stadt nicht sehr gefiel. Trotzdem durfte der Bau bis zur Einweihung im Jahr 2005 weitergehen. Seither erfreut es die Jugend der Stadt als verbotenes Kletterparadies.
Mo Edoga starb am 17. Juni 2014 in Mannheim – unerwartet im Alter von 67 Jahren. Sein letztes Werk, die Himmelskugel, ist inzwischen von Zäunen umhegt und befindet sich in einem fortschreitenden Zustand des Zerfalls. Die Erben haben beschlossen, diesem nicht durch restaurative Maßnahmen entgegenzuwirken: Edoga hätte sich über diesen natürlichen Werdegang seines Werks gefreut.
Mo Edoga - Werke, die bereits im Kunsthaus Lempertz verkauft wurden: