Diego Giacometti

Diego Giacometti - Frühe Jahre als Lebemann und Tagträumer

Diego Giacometti wurde am 15. November 1902 in Borgonovo, einem kleinen Schweizer Bergdorf, geboren. Sein Vater war der Maler und Grafiker Giovanni Giacometti, der gemeinsam mit Cuno Amiet den Post-Impressionismus in der Schweiz bekannt gemacht hatte. Diego war das zweite von vier Kindern, seinen Vornamen verdankte er einer Vorliebe des Vaters für den spanischen Barockmaler Diego Velázquez. Zwei seiner Brüder schlugen ebenfalls eine künstlerische Laufbahn ein; der jüngere, Bruno, wurde Architekt, der ältere war der weltberühmte Bildhauer Alberto Giacometti. Gegen Ende des Jahres 1903 zog die Familie Giacometti nach Stampa, wo der Vater ein Haus besaß und für sich (und später seine Söhne) ein Atelier in einer alten Scheune einrichtete. Diese Wohnung im Geburtshaus von Giovanni Giacometti bildete für viele Jahrzehnte den Mittelpunkt der Familie, und auch als Erwachsene kehrten die Kinder immer wieder hierher zurück. Bevor Diego Giacometti zu seiner künstlerischen Bestimmung fand, verbrachte er einige Jahre als Bonvivant und Dandy, lebte in den Tag hinein und ging allen Verpflichtungen aus dem Weg. Gemeinsam mit seinem älteren Bruder Alberto, dem er auf Betreiben der Mutter nach Frankreich gefolgt war, besuchte er lieber die berüchtigten Bordelle in Saint-Denis, anstatt sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen.

Zwei hochbegabte Brüder im Verbund für die Kunst

Erst als Alberto Giacometti, der ältere Bruder und das große Vorbild Diegos, für den französischen Möbeldesigner Jean-Michael Franck zu arbeiten begann, änderten sich die Dinge auch für Diego Giacometti. Franck, den die Brüder durch Vermittlung von Man-Ray kennengelernt hatten, beauftragte Alberto Giacometti mit der Anfertigung von Einrichtungsgegenständen – Vasen, Lampen, Wandleuchter –, die dieser aus Gips und Bronze formte und dabei in seinem jüngeren und überaus geschickten Bruder Diego einen bald unentbehrlichen Helfer besaß. Zunächst übernahm Diego Giacometti verschiedene Vorarbeiten und saß seinem Bruder auch selbst Modell. Später beteiligte er sich immer häufiger auch an der eigentlichen Bildhauerarbeit, wofür er von seinem Bruder viel Zuspruch und Anerkennung erhielt. Im Gegensatz zu dem gesprächigen und oft sogar überfließenden Alberto gab sich Diego Giacometti häufig verschlossen und schweigsam – vielleicht ein Grund, warum er lange in dessen Schatten stand. Trotz der außerordentlich fruchtbaren Zusammenarbeit entstanden in dem gemeinsamen Atelier in der rue Hippolyte-Maindron 46 zunehmend auch eigene Werke Diegos. Häufig handelte es sich dabei um Tierskulpturen – schon als kleines Kind war er in der Schweizer Heimat über entlegene Gebirgspfade gestrichen und hatte fasziniert die wilden Tiere beobachtet.

Der Tod des Bruders als bedeutsamer Einschnitt

Als Alberto Giacometti im Jahr 1966 starb, bedeutete das für Diego Giacometti eine einschneidende Veränderung. Fortan war er auf sich allein gestellt, arbeitete ausschließlich auf eigene Rechnung. Das private Museum Fondation Maeght beauftragte ihn mit der Gestaltung der Inneneinrichtung im "Café Diego" in Saint-Paul-de-Vence. Ausgerechnet sein letzter großer Auftrag ließ Diego Giacometti endgültig aus dem Schatten seines Bruders hervortreten und machte ihn einer breiten Öffentlichkeit bekannt: Für das im September 1985 eröffnete Musée Picasso in Paris entwarf er weite Teile der Innenausstattung. Die Premiere seines Kunstwerks und die positive Rezeption hat der Künstler nicht mehr erlebt: Diego Giacometti starb am 15. Juli 1985 in Paris.