Ernst Haas

Ernst Haas wurde am 2. März 1921 in Wien geboren. Er zeigte früh kreative Neigungen, die seine Eltern, beide als Beamte im Dienst der österreichischen Regierung tätig, unterstützten. Der Wunsch, Maler oder Forscher zu werden, wurde jedoch durch den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zunichte gemacht. Sein noch während des Krieges begonnenes Medizinstudium brach Ernst Haas ab, als er beim Entwickeln von Negativen seines verstorbenen Vaters eine große Faszination für die Fotografie verspürte. Er besuchte die Höhere Graphische Bundes-Lehr- und Versuchsanstalt in Wien und erwarb im Alter von 25 Jahren im Tausch gegen 10 Kilogramm Margarine seine erste Kamera: eine Rolleiflex. Ernst Haas konnte einige seiner frühen Bilder verkaufen und hielt Fotokurse für amerikanische Soldaten. Bei einem Besuch in der Schweiz lernte er den Fotografen Werner Bischof (1916–1954) kennen. Für das amerikanische Rote Kreuz dokumentierte er Kriegsheimkehrer und Kriegsversehrte, die zum Zwecke der Identifizierung und Zusammenführung genutzt wurden und wenig später sogar im renommierten Magazin Life erschienen.

Ernst Haas hatte bald die Wahl zwischen prestigeträchtigen Angeboten und konnte es sich leisten, ein Angebot des Life-Magazins auszuschlagen, um sich stattdessen auf Einladung von Robert Capa (1913–1954) der noch jungen Agentur Magnum anzuschließen. Von diesem Entschluss versprach sich der ehrgeizige junge Fotograf eine größere künstlerische Freiheit, die er auf eine äußerst mutige und unerhörte Weise in Anspruch nahm: Ernst Haas wandte sich der Farbfotografie zu, die damals noch als kommerzielle Effekthascherei verpönt war. Mit seiner ersten großen Farbbildreportage setzte er seiner neuen Heimatstadt New York ein Denkmal. Nach dem bitteren Schwarz-Weiß der Kriegsjahre erlebte er die Wende zur Farbfotografie auch als Symbol für sein neues Leben in den USA, fernab der Trümmerlandschaften des kriegsgezeichneten Europas. Dabei bewies er ein erstaunliches Gespür für die Farbe und lieferte Panoramen und Details, die bis dahin unvorstellbar gewesen waren, außerdem setzte er auf innovative Effekte durch Bewegungsunschärfen und absichtsvolle Verwackelungen.

Ernst Haas bespielte seine erste Einzelausstellung 1962 im berühmten Museum of Modern Art in New York. Seine große Experimentierfreude entwickelte er aus zufällig gemachten Beobachtungen, als er beispielsweise am Spätnachmittag in Spanien einen Stierkampf fotografieren wollte und die Bilder aufgrund der langsamen Belichtungszeit seines Filmes verwischten. Ernst Haas fing an, gezielt auf derartige Effekte zu setzen und schuf mitunter geradezu abstrakte Bildwelten, die an Gemälde erinnerten. Fotografie war für Haas immer mehr als bloße Abbildung, er wollte mit seiner Kamera seine Motive verwandeln, sie aus ihrem Kontext herauslösen und zu einem eigenständigen Werk erhöhen. In späteren Jahren veröffentlichte er mehrere Bücher zu Japan und Zen-Buddhismus und trug mit seinen romantischen, weitläufigen Aufnahmen der nordamerikanischen Landschaften maßgeblich zum damaligen Image der Zigarettenmarke Marlboro bei.

Ernst Haas starb am 12. September 1986 in New York.