Raymond Hains zählt zu den profiliertesten französischen Künstlern des späten 20. Jahrhunderts. Als unermüdlicher Schöpfer neuer Ausdrucksformen stellte er seine Vielseitigkeit unter Beweis, verweigerte sich jeder Kategorisierung und entfaltete eine weitreichende Wirksamkeit.
(...) WeiterlesenRaymond Hains - Beschmutzte und zerrissene Plakate werden zu einer neuen Kunstform
Raymond Hains wurde am 9. November 1926 in Saint-Brieuc in der Bretagne geboren. Die früh erwachte Neigung zur Kunst führte ihn an die École des Beaux-Arts in Rennes, wo er für kurze Zeit Bildhauerei studierte. Schon bald darauf zog es ihn nach Paris; dort betätigte er sich allerdings zunächst als Fotograf. Bei seinen Streifzügen durch die Straßen und Gassen der französischen Hauptstadt fiel sein Blick immer wieder auf die Reste zerrissener Plakate, die Wind und Wetter trotzend an Zäunen, Mauern und Säulen angebracht waren. Die Beschädigungen, die durch Risse, Verwitterung und Überlagerungen verursacht wurden, brachten in den Augen des Künstlers wie von selbst zufällige Collagen hervor, die er nur noch aufzunehmen brauchte. Raymond Hains riss die entstandenen Gebilde ab und stellte sie als eigene Gemälde aus. Mit diesen sogenannten Affiches lacérées wurde er schnell international bekannt. Das zugrunde liegende künstlerische Prinzip verfeinerte er in Zusammenarbeit mit seinem Kollegen Jacques de la Villeglé.
Mitgründer des Nouveau Réalisme, unermüdlicher Pionier der Kunst
Raymond Hains ging bald einen Schritt weiter und stellte nicht mehr nur die gefundenen Plakate, sondern gleich auch deren Umgebung – Bauzäune und Reklametafeln – mit aus. Andere namhafte Künstler wie François Dufrêne beteiligten sich an dieser Kunstform. Dabei ging es den Akteuren um Konsum- und Gesellschaftskritik, die Werbebotschaften wurden in provozierenden neuen Kontext gestellt. Raymond Hains gründete mit befreundeten Künstlern wie Arman, César, Yves Klein, Pierre Restany, Mimmo Rotella, Daniel Spoerri und Jean Tinguely die Nouveaux Réalistes, eine Art neue Dada-Bewegung, die einen fließenden Übergang zwischen Kunst und Alltag schaffen sollte. Für die Erreichung dieses Zieles kreierte Raymond Hains unaufhörlich neue Ausdrucksformen, beschäftigte sich mit der abstrakten Fotografie und auch dem Film, bewährte sich auf diesem Feld als ein früher Vorreiter, dem weitere Generationen folgten. Diese vielbeachteten Pionierleistungen brachten ihm weitere Reputation ein; er wurde zum gefeierten Gast internationaler Ausstellungen, so 1968 auf der Documenta in Kassel.
Ein kompliziertes Netz, in dem vielseitige Einflüsse verknüpft werden
Raymond Hains verwendete für sein vielseitiges Oeuvre zahlreiche Bezüge auf Literatur, Historie und Mythologie. Der Künstler selbst sah sich als Spinne in einem Netz der Abstraktion, das alle möglichen Einflüsse aufnahm und einfing, ihnen die innewohnende Kraft aussaugte und in neuem Kontext ein zweites Leben schenkte. Es ist ein fiebriges Spiel mit Assoziationen, die Hains in atemberaubender Geschwindigkeit miteinander verknüpfte. Die vertrauten Verankerungen der Gesellschaft wurden gelöst, durcheinandergewirbelt und neu angebracht. Kunst und Künstler blieben immer in Bewegung, jeder verbindlichen Festlegung entzogen, dem Ziel der ewigen Reise gleichzeitig verlockend nah und unerreichbar fern: die Konsumkultur zu hinterfragen und zu Fall zu bringen, das selbst geschaffene Gefängnis der Gesellschaft endgültig einzureißen. Für seine wegweisende Kunst erhielt Raymond Hains Preise und Auszeichnungen, darunter im Jahr 1996 den Kurt-Schwitters-Preis der Niedersächsischen Sparkassenstiftung.
Raymond Hains starb am 28. Oktober 2005 in Paris.
Raymond Hains - Werke, die bereits im Kunsthaus Lempertz verkauft wurden: