Seydou Keita wird als »Vater der afrikanischen Fotografie« gerühmt, der mit seiner Porträtkunst der malischen Gesellschaft ein Gesicht verlieh und ein internationales Publikum beeindruckte. Sein Streben nach Perfektion führte zu einer unerhörten Eleganz und Anmut seiner Aufnahmen, die bis heute nichts von ihrer Faszination verloren haben.
(...) WeiterlesenSeydou Keita war erst Schreiner, dann Fotograf
Seydou Keita wurde zwischen 1921 und 1923 in Bamako, Mali, damals Teil der Kolonie Französisch-Sudan, geboren. Zunächst trat er in die Fußstapfen seines Vaters Bâ Tièkoro und arbeitete als Zimmermann. Als ihm sein Onkel Tièmòkò Keita seine erste Kamera schenkte, eine Kodak Brownie Flash aus dem Senegal, begann Seydou Keita mit dem Fotografieren. Von Anfang an standen Menschen im Mittelpunkt seiner künstlerischen Arbeit: In der Werkstatt seines Vaters entstanden viele Bilder von Familienmitgliedern, Freunden, Nachbarn und Kunden. Im folgenden Jahrzehnt verfolgte Seydou Keita seine fotografische Laufbahn als Autodidakt weiter, kaufte zwei neue Kameras und fand schließlich in seinem Nachbarn Mountaga Dembélé einen Mentor, der ihm dabei half, eine professionelle Ebene zu erreichen. Wie sein Lehrer betrieb Keita ein Freiluftstudio, in dem er seine meist mit Sonnenlicht beleuchteten Porträts aufnahm. Um seine Bekanntheit zu steigern, engagierte er einen Assistenten, der an öffentlichen Plätzen wie Bahnhof und Markt nach Kunden suchen sollte und versah seine Bilder auf der Rückseite mit dem Stempel »Photo Keita Seydou«.
Keita fotografierte Sehnsüchte und Möglichkeiten
Seydou Keita erwarb sich als Porträtfotograf großen Ruhm und die Menschen strömten aus ganz Westafrika in sein Atelier, um sich von ihm in Schwarzweiß und bei natürlichem Licht fotografieren zu lassen. Es gehörte bald zum guten Ton, eine Aufnahme von Seydou Keita zu besitzen. Dabei zog der Fotograf alle Register, um seine Kunden möglichst positiv darzustellen: Er legte sich einen großen Vorrat an edlen Accessoires zu, stellte elegante Mode und sogar Fahrzeuge als Staffage zur Verfügung und erfüllte so die Sehnsucht nach einem anderen, glamouröseren Leben – wenigstens für ein einziges Bild. Damit war Seydou Keita seiner Zeit weit voraus und kann in gewisser Weise als Vorläufer der heute allgegenwärtigen schillernden Scheinwelten auf Instagram und TikTok gelten. Außerdem setzte er auf reich verzierte Hintergründe, die seinen Bildern eine visuelle Dynamik verliehen und betonte mit niedrigen Blickwinkeln und strenger Komposition die gewünschte Haltung seiner Modelle. Insbesondere Mittel- und Oberschicht liebten Keita: die einen, weil er sie erhöhte, die anderen, weil er ihrem Selbstbild schmeichelte.
Ein kunstvolles Porträt der malischen Gesellschaft
Seydou Keita bemühte sich bei seinen Bildern um einen hohen Grad an Präzision und betrieb dafür großen Aufwand. Neben seinen Studioaufnahmen machte er auch Hausbesuche und reiste selbst in entfernte ländliche Städte und Siedlungen, um dort Bilder aufzunehmen. So entstand eine umfangreiche fotografische Dokumentation der malischen Gesellschaft, die heute als eigenständiges Kunstwerk rezipiert wird und ihren Schöpfer zu einem der bedeutendsten afrikanischen Fotografen neben Malick Sidibé (1935/36–2016) machte. Eines seiner spannendsten Projekte blieb der Nachwelt nicht erhalten: In den 1960er Jahren porträtierte er Gefangene der Polizei, die dabei entstandenen Bilder sollen angeblich während der Unruhen von 1991 einem Brand zum Opfer gefallen sein. 1992 machten die französischen Künstler Françoise Huguier (*1942), Bernard Descamps (*1947) und insbesondere André Magnin (*1952) das Werk Keitas in Europa und in den USA bekannt, was dem afrikanischen Künstler Teilnahmen an internationalen Ausstellungen und Aufträge für Zeitschriften wie Harper's Bazaar einbrachte.
Seydou Keita starb am 11. November 2001 in Paris, Frankreich.
Seydou Keïta - Werke, die bereits im Kunsthaus Lempertz verkauft wurden: