Jannis Kounellis holte die Pferde von der Koppel und brachte sie in die Kunsthalle: Die Aktion, zwölf lebende Pferde in der Galleria L'Attico auszustellen, war vielleicht die spektakulärste und eigenwilligste Idee des italienischen Künstlers, aber das Oeuvre des Mitbegründers und Vordenkers der Arte Povera hält für alle Interessierten weit mehr Überraschungen bereit.
(...) WeiterlesenJannis Kounellis – In Italien wurde der Grieche Kounellis zum Künstler
Jannis Kounellis wurde am 23. März 1936 in Piräus geboren. Während seiner Kindheit und Jugend erlebte er den Zweiten Weltkrieg, in dem sein Vater, ein Schiffsbauingenieur, dem Widerstand angehörte, und den Griechischen Bürgerkrieg, ehe er 1956 mit seiner Frau nach Italien emigrierte. Obwohl er bereits in seiner griechischen Heimat die Hochschule der Bildenden Künste Athen besucht hatte, erhielt Kounellis erst in Italien seine entscheidende Prägung, und er selbst sagte einmal, dass er als Person Grieche, als Künstler aber Italiener sei. Jannis Kounellis studierte an der Accademia di Belle Arte und begann seine schöpferische Laufbahn als Maler. Für sein Debüt »L'alfabeto di Kounellis« war der Name Programm: »Das Alphabet von Kounellis« bestand aus zahlreichen Buchstaben, Zahlen und Zeichen, die der Künstler auf weißen Leinwänden angeordnet hatte. Von 1960 bis 1966 dominierten Gemälde im Schaffen des Künstlers, wobei Jannis Kounellis schon früh auch skulpturale Elemente in seine Arbeit miteinfließen ließ. Während er anfangs Objekte wie Straßenschilder in seinen Bildern nur spiegelte, machte er später echte Straßenschilder zu einem Teil seiner Werke.
Lebende Tiere, totes Fleisch, revolutionäre Kunst
Jannis Kounellis entfernte sich immer weiter von seinen eher konventionellen Anfängen als Maler und wandte sich zunehmend der Objektkunst zu. Dazu inspirierten ihn vor allem internationale Künstler wie die US-amerikanischen Maler Franz Kline und Jackson Pollock sowie der niederländische Avantgardist Piet Mondrian. Auch dem Werk von Kasimir Malewitsch verdankte Kounellis wichtige Anregungen. Mit seinen innovativen Ideen brach Jannis Kounellis bestehende Regeln, forderte sein Publikum heraus und wurde schnell als Revolutionär empfunden. Nach Ausstellungen mit lebenden Vögeln und Pferden sorgte der Künstler auch mit Installationen aus blutigen Fleischstücken vom Schlachthof für Aufsehen. 1973 gelang ihm mit seiner ersten Teilnahme an der Biennale in Venedig der internationale Durchbruch. Im Folgejahr beteiligte sich Kounellis an den zweiten ADA-Aktionen der Avantgarde in Berlin – neben prominenten Künstlern wie Wolf Kahlen, Edward Kienholz, Wolf Vostell, Daniel Buren, Jochen Gerz und Rafael Canogar. In Deutschland fand Kounelli großen Anklang und erhielt einen Lehrauftrag an der Düsseldorfer Kunstakademie, den er von 1993 bis 2001 ausübte.
Der verborgene Reichtum in der armen Kunst
Jannis Kounellis wird heute vor allem mit der Arte Povera assoziiert, zu deren Mitgründern er zählt. Als Pionier dieser einflussreichen Bewegung schöpfte er künstlerischen Reichtum aus »armen« Materialien, machte Kleiderständer, Möbel, Kohl, Feuer, Ruß, Stahl und Stein zu Bestandteilen bewunderter Kunstobjekte. Die Dimensionen wuchsen sich dabei, ermutigt durch das Beispiel von Joseph Beuys, mit dem Kounellis auch befreundet war, zu raumgreifenden Installationen und Inszenierungen aus. Folgerichtig betätigte sich Jannis Kounellis auch als gefeierter Bühnenbildner und Theaterautor. Zu einem Drama entwickelte sich auch seine Installation eines mit Möbeln geschmückten Galgens neben dem Münster in Schwäbisch-Gmünd: Die empörte Bevölkerung protestierte, die Lokalpresse berichtete mehrere Wochen lang und die Installation musste schließlich vorzeitig abgebaut werden – allerdings nicht wegen der Proteste, sondern aufgrund von irreparablen Beschädigungen durch Frühjahrsstürme. Mit seinem Ansatz, Altgebrauchtes für Kunstwerke neu zu verwerten, nahm Kounellis den immer wichtiger werdenden Recyclinggedanken vorweg und interpretierte ihn auf eigene Weise. Wenn es sein musste, brachte der Künstler auch persönliche Opfer: 2011 ergänzte er eine Installation in Kleve kurzerhand um das Paar Schuhe, das er gerade trug und musste sich im Anschluss ein neues kaufen.
Jannis Kounellis starb am 16. Februar 2017 in Rom.
Jannis Kounellis - Werke, die bereits im Kunsthaus Lempertz verkauft wurden: