Marie-Jo Lafontaine

Marie Jo Lafontaine - Durchbruch als Videokünstlerin auf der Documenta in Kassel

Marie Jo Lafontaine, geboren 1950 in Antwerpen, studierte von 1975 bis 1979 in Brüssel an der École Nationale Supérieuere d'Architecture et des Arts Visuels und konnte mit Malereien, monochromen Textilarbeiten und ersten Versuchen auf dem Gebiet der Videokunst frühe Erfolge verbuchen. Schon zu Beginn ihrer Laufbahn gewann Marie Jo Lafontaine Preise wie den Prix de la Jeune Peinture Belge in Brüssel und den Prix de la Critique in ihrer Geburtsstadt Antwerpen. Den internationalen Durchbruch bescherte ihr aber die Teilnahme an der Documenta 8 in Kassel, wo ihre Videoinstallation Les larmes dácier (Tränen aus Stahl) für viel Aufsehen sorgte. Die riesige Videoskulptur zeigte auf 27 Monitoren junge männliche Athleten beim Trainieren ihrer Muskeln. Der Kampf mit dem Körper zeigt die Verschmelzung von Mensch und Maschine. Tränen aus Stahl werden vergossen auf dem Weg zum kraftstrotzenden Übermenschen. Dazu erklingt die als äußerst anspruchsvoll geltende Cavatine Casta diva aus der Oper Norma des italienischen Komponisten Vincenzo Bellini, dargeboten von der griechisch-amerikanischen Sopranistin Maria Callas.

Schlichte Motive in komplexem Kontext sorgen für Aufsehen

Marie Jo Lafontaine fokussierte sich in den Jahren nach ihrem großen Durchbruch weiterhin auf multimediale Videoinstallationen. 1996 und 1997 widmete sie sich einem klischeebelasteten und darum für die künstlerische Gestaltung nicht unverfänglichen Sujet: Sie machte Kinder zum Thema ihrer Arbeit. In ihrer Serie Demain Appartient aux Fous d'Aujourd'hui zeigte Marie Jo Lafontaine Kinder verschiedener Herkunft, Jungen und Mädchen mit nacktem Oberkörper in Schwarz-Weiß vor dunklem Hintergrund, sodass vielleicht zum ersten Mal in der Kunstgeschichte die Kinder ihre ganz eigene Präsenz entfalten konnten ohne eine lenkende und interpretierende Hand des ausführenden Künstlers. Monochrome Flächen ziehen sich wie ein Leitmotiv durch die Kunst von Marie Jo Lafontaine, die bei aller bewussten Schlichtheit ihrer Motive durch einen sorgfältig ausgewählten Kontext von Texten, Gemälden und Umgebung trotzdem zu einem komplexen Ausdruck ihrer Installationen findet. Auch die Blumensymbolik spielt eine wiederkehrende Rolle in der visuellen Sprache der Belgierin, die ihr Publikum mehr entrücken als beeindrucken will.

Videoskulpturen in eigener Ästhetik aus Text und Bild

Marie Jo Lafontaine schöpft für ihre ureigene Ästhetik aus einem breiten Pool von stilistischen und gestalterischen Möglichkeiten. Die vielseitig interessierte Künstlerin hat sich ein umfangreiches Arsenal an Ausdrucksmöglichkeiten zugelegt, das sie beständig weiterentwickelt. Besondere Inspiration verdankt Marie Jo Lafontaine dem geschriebenen Wort der Dichter und Philosophen: Martin Heidegger, Rainer Maria Rilke, Friedrich Nietzsche und Charles Baudelaire liefern häufig das textliche Koordinatensystem für Lanfontaines bildnerische Arbeit. Für diese bringt die Künstlerin auch Opfer: Auf der Suche nach eigentümlichen Wolkenformationen für eine Videoskulptur, die das Foyer des DZ BANK Turms in Frankfurt am Main schmücken sollte, reiste sie mit einem Kamerateam durch Europa und ließ unter anderem in Irland über 500 Meter Kabel verlegen, um die gewünschten Bilder in der Wildnis aufnehmen zu können. An der Frankfurter SkyArena anlässlich der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland beteiligte sich Lafontaine mit ihrer 15-minütigen Show I Love The World, die ein geteiltes Echo hervorrief.

Marie Jo Lafontaine lebt und arbeitet überwiegend in Brüssel.