Saul Leiter gehörte zu den ersten Fotokünstlern, die der Welt die Farbe schenkten. Die Straßen New Yorks entwickelten auf den Bildern des amerikanischen Malers und Fotokünstlers ein bisweilen abstraktes Eigenleben, das sie in Farbe und Form bis zur Unkenntlichkeit verfremdete.
(...) WeiterlesenSaul Leiter - Für die Kunst brach Saul Leiter mit seiner Familie
Saul Leiter wurde am 3. Dezember 1923 in Pittsburgh im US-Bundesstaat Pennsylvania geboren. Sein Vater, ein Talmud-Gelehrter, wünschte sich auch für seinen Sohn eine Laufbahn als Rabbiner. Doch der Besuch der Religionsschule konnte Saul Leiter nicht dieselbe Erfüllung bieten, wie es die Kunst vermochte, die ihn mehr und mehr faszinierte und immer wieder in die öffentliche Bibliothek trieb, wo er sich in dicke Bände über Kunstgeschichte vertiefte. Sein Interesse galt den traditionellen westlichen Meistern ebenso wie der japanischen Kalligrafie und der fernöstlichen Tantra-Kunst. Er empfand sein jüdisch-orthodoxen Elternhaus zunehmend als einen Raum der Enge und Strenge und brach schließlich mit seiner Familie, um im Alter von 23 Jahren nach New York zu gehen und dort Kunst zu studieren. Sein ursprüngliches Interesse galt der Malerei, die ihn vor allem in Gestalt des abstrakt-expressionistischen Malers Richard Pousette-Dart faszinierte. Über Pousette-Dart und W. Eugene Smith fand Saul Leiter zur Fotografie.
Verschwimmende Grenze zwischen Malerei und Fotografie
Saul Leiter experimentierte als Autodidakt mit einer 35-mm-Leica-Camera. Die ersten fotografischen Versuche unternahm Leiter noch klassisch in Schwarz-Weiß, wie es damals schon aus technischen Gründen überwiegend üblich war. Bereits diese frühen Schwarz-Weiß-Aufnahmen verraten die große Begabung des jungen Fotografen, der sich bald als Pionier der noch jungen Farbfotografie zuwenden sollte. Die Liebe zur Malerei blieb für die fotografischen Arbeiten Leiters prägend, er war einer, der das Objektiv wie einen Pinsel führte. Insbesondere seine Farbfotografien sind mitunter kaum noch von Gemälden zu unterscheiden. Dabei entwickelte Leiter ein virtuoses Farbverständnis und schaffte es, die mit dem Makel des genuinen Werbemittels behaftete Farbfotografie in die Höhen ernst zu nehmender Kunst zu erheben. Über seinen ersten fotografischen Erfolgen blieb er aber auch der Malerei treu. Seine Bilder waren häufig abstrakt und wiesen dennoch eine auffällige Ähnlichkeit zu seinen Fotografien auf. Charakteristisch waren trennende Linien, die das Bild in separate Bereiche aufteilten – bei seinen Fotografien erzielte Leiter diesen Effekt durch Fensterrahmen oder ähnliches.
Die Faszination lag auf alltäglichen Motiven
Saul Leiter legte anders als viele Fotografenkollegen keinen Wert darauf, bedeutende Motive zu fotografieren. Seine Themen fand er meist in der unmittelbaren Nachbarschaft. Regentropfen am Fenster konnten ihn stärker faszinieren als eine prominente Persönlichkeit. Es gefiel ihm, wenn die Menschen nicht gleich erkannten, was er da eigentlich mit seiner Kamera aufgenommen hatte. Seine Winkel und Perspektiven erweckten oft einen abstrakt-surrealistischen Eindruck und verliehen seinen Bildern damit eine zarte und unbestimmte Poesie. Manchmal verschmolz er Fotografie und Malerei sogar, wenn er auf seine Fotografien Wasserfarbe und Gouache auftrug. Mal waren es spontane Ausschnitte, in ihrer Nähe fast bis zur Unkenntlichkeit verzerrt, mal bedächtig eingefangene Kompositionen von großer Ausdruckskraft.
Ein Fotopionier der 1940er- und 1950er-Jahre
Neben Diane Arbus und Robert Frank gehörte er zu den prägenden Gestalten der New York School of Photographers in den 1940er- und 1950er-Jahren. Edward Steichen lud ihn zu seiner Ausstellung The Family of Man ein, was der mitunter eigenbrötlerische Leiter allerdings ignorierte. Zwei Jahrzehnte arbeitete er als Modefotograf für renommierte Zeitschriften wie Vogue, Elle, Esquire und andere. Trotzdem blieb er bescheiden und erklärte, er fotografiere nur, damit er seine Rechnungen bezahlen könne. Zeitweise erlebte er Flauten, in denen genau das kaum möglich war; mit seiner Partnerin, der Malerin Soames Bantry, ging es ihm zwischenzeitlich so schlecht, dass beide nicht einmal ihre Miete begleichen konnten. Saul Leiters Wiederentdeckung in den 1980er-Jahren durch den britischen Kunsthistoriker Martin Harrison brachte eine späte Wende – und den Erfolg zurück.
Saul Leiter starb am 26. November 2013 in New York.
Saul Leiter - Werke, die bereits im Kunsthaus Lempertz verkauft wurden: