Frans Masereel brachte nicht die Steine, sondern das Holz zum Schreien. In unnachahmlicher Intensität gestaltete der belgische Grafiker, Zeichner und Maler seine Holzschnittfolgen, verlieh ihnen eine emotionale Kraft, die den Betrachter packte und nicht wieder losließ. Er sah die Welt als wüsten Ort und begriff seine Kunst als fortwährende Suche nach der verlorenen Menschlichkeit.
(...) WeiterlesenFrans Masereel - Stumme Appelle für den Frieden
Geboren wurde Frans Masereel am 30. Juli im belgischen Küstenort Blankenberge, aufgewachsen ist er in Gent. Sein künstlerisches Interesse machte sich früh bemerkbar und führte ihn im Alter von 18 Jahren auf die École des Beaux-Arts. Schon bald reiste er durch Europa, besuchte 1909 England und Deutschland – eine fruchtbare Reise, die ihn zu ersten Holzschnitten und Radierungen anregte. 1911 zog Masereel für vier Jahre nach Paris, wo er weitere Impulse sammelte. Im Anschluss arbeitete er in der Schweiz als Grafiker für verschiedene Zeitschriften. Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs verstörte Frans Masereel tief und trieb ihn zurück nach Gent; den Ort seiner Jugendjahre empfand er als sichere Zuflucht. Während die Soldaten auf den Schlachtfeldern Europas Schützengräben aushoben, grub Frans Masereel einen stummen Protest gegen dieses sinnlose Blutvergießen in sein Holz. Der Kampf gegen die Unmenschlichkeit bestimmte von da an das Leben und Schaffen des Künstlers.
Das Menschliche in der Kunst
Die an den Expressionismus angelehnten Bilder gegen den Krieg machten Frans Masereel über Nacht berühmt und verschafften ihm respektable Aufträge. Im Zuge seiner Rückkehr nach Paris entstanden bedrückende Darstellungen von Licht und Schatten in den überlaufenen Straßen der französischen Hauptstadt. Masereel sah alles, zeigte alles, sparte nichts aus. Im selben Stil illustrierte er Bücher von Emile Zola und Thomas Mann. Letzterer pries Masereel für seine Gabe, die schiere Lebendigkeit der Welt in ihrer ganzen Kraft abzubilden. Zu vielen großen Literaten seiner Zeit pflegte Masereel ein freundschaftliches Verhältnis, er traf Bertolt Brecht, Romain Rolland und Stefan Zweig, er las Marx und Kropotkin. Seine Darstellung einer aus den Fugen geratenen Gesellschaft war aber nur die eine Seite seines Schaffens: Wenn Frans Masereel seine Linien ins harte Holz schnitt, dann schnitzte er immer auch an einer besseren Welt. Er zeigte das Schlechte, um die Sehnsucht nach dem Guten zu stärken. Nirgendwo war diese Zerrissenheit mehr am Platze wie im Berlin der wilden 1920er-Jahre.
Vom Großen zum Kleinen
Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten war der künstlerische Rausch, den Masereel in Berlin erlebt hatte, zu Ende. Pazifistische Kunst passte nicht zum kriegslüsternen Kurs der neuen Machthaber, der belgische Künstler musste wie viele seiner Zunftgenossen ins Ausland fliehen. Hatte ihn sein Exil im Ersten Weltkrieg noch als kreativer Funke zum rastlosen Widerstand gegen den Krieg entflammt, brachte er während dieser zweiten Flucht künstlerisch kaum etwas zustande. Erst nach dem Krieg widmete er sich wieder seiner Kunst, die zunehmend persönlichere Themen behandelte und weniger die großen gesellschaftlichen Fragen in den Mittelpunkt stellte. Für seine Werke erhielt Frans Masereel Preise und Ehrungen, unter anderem wurde er 1950 mit dem Preis der Biennale von Venedig ausgezeichnet und 1964 mit dem Kulturpreis des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Frans Masereel starb am 3. Januar 1972 in Avignon.
Frans Masereel - Werke, die bereits im Kunsthaus Lempertz verkauft wurden: