Tracey Moffatt

Tracey Moffatt wurde am 12. November 1960 in Brisbane, Queensland, Australien geboren. Sie war die Tochter eines weißen Vaters und einer indigenen Mutter, kam aber im Alter von drei Jahren zu einer weißen Familie in Pflege und musste sich dort häufig um ihre drei jüngeren Pflegeschwestern kümmern. Die Herkunft ihrer leiblichen Mutter übte einen nachhaltigen Einfluss auf Moffatts Kunst aus, mit der sie immer wieder dieses familiäre Erbe, die Kultur der Aborigines, thematisierte. Bereits ihr erster Kurzfilm Nice Coloured Girls aus dem Jahr 1987 stellte drei junge Aborigines-Frauen in den Mittelpunkt, die auf der Suche nach Spaß durch Sydneys Vergnügungsviertel King's Cross flanierten; ihnen gegenüber stellte Moffatt einen Beitrag über die historische Unterdrückung indigener Frauen durch weiße Männer. Für diesen Film arbeitete Tracey Moffatt zum ersten Mal mit der australischen Künstlerin Gail Mabo (*1965) zusammen, die auch in ihrem späteren Film Watch Out (1987) als Tänzerin und Choreografin mitwirkte.

Tracey Moffatt schuf 1989 ihre inzwischen als ikonisch geltende Fotoserie Something More als Auftragsarbeit für das Murray Art Museum Albury (vormals Albury Regional Art Gallery). Die Arbeit besteht aus neun Fotografien, von denen sechs in Farbe und drei in Schwarz-Weiß gehalten sind, und referenzierte auf die Künstler Russell Drysdale (1912–1981) und Albert Namatjira (1902–1959). Die Bilder nutzen eine Filmsprache und erzählen von einer jungen Frau, die nach Enttäuschungen und Gewalterfahrungen nach einem Mehr im Leben sucht. Das Werk brachte Tracey Moffatt zum ersten Mal breite Aufmerksamkeit und Anerkennung. Noch erfolgreicher war der Film Night Cries. A Rural Tragedy (1989), mit dem sie sich an den australischen Filmklassiker Jedda (1955) anlehnte und die Erfahrungen einer Aborigines-Frau schildert, die gezwungen ist, sich um ihre alternde weiße Mutter zu kümmern. Der Film wurde auf dem Filmfestival Cannes 1989 gezeigt und gehört bis heute zu den bekanntesten Werken der australischen Künstlerin.

Tracey Moffatt hat in ihrer mehr als ein Vierteljahrhundert währenden Laufbahn ein kohärentes Werk geschaffen, in dem sie erzählt, ohne zu erzählen, sie vermittelt ihre oft tragischen Geschichten als Andeutungen, unausgesprochen, aber spürbar. Mit einer ihrer größten Fotoserien, Up in the Sky, behandelte Tracey Moffatt im Jahr 1998 das die »gestohlene Generation« Australiens, die indigenen Kinder, die ihren Familien entrissen und in fremde Hände gegeben wurden. Das Projekt knüpft an die Bildersprache des italienischen Films Accattone (1961) von Pier Paolo Pasolini (1922–1975) an. Die Arbeit Tracey Moffatts ist geprägt durch die Aufnahme oft schwergängiger Themen, die tiefsitzende und unverheilte Wunden behandeln und oft auf tragikomische Weise vermittelt werden. Für ihr Werk erhielt Tracey Moffatt Preise und Auszeichnungen, unter anderem wurde sie 2016 zum Officer des Order of Australia ernannt.

 

Tracey Moffatt lebt und arbeitet in Sydney und New York.