Michael Ruetz war der Galeriefotograf der 68er-Bewegung in Deutschland. Kaum ein Ereignis aus dieser Zeit, das nicht mit den Bildern des deutschen Fotografen verknüpft wäre. Dabei ging es dem Künstler immer mehr um Gestaltungsmittel und ästhetische Qualität als um politische Inhalte. Dass sein Werk häufig auf diese verkürzt wird, wird den Leistungen einer vieljährigen Künstlerkarriere nicht gerecht.
(...) WeiterlesenMichael Ruetz - Die Fotografie als Hobby, jugendliche Begeisterung für Mao
Michael Ruetz wurde am 4. April 1940 in Berlin geboren. Kindheit und Jugend waren geprägt von den Nachwehen der NS-Diktatur und der entbehrungsreichen Zeit des Wiederaufbaus nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs. Im politisch interessierten Elternhaus wurde viel diskutiert und besprochen – und aufgrund der noch frischen leidvollen Erfahrungen mit großer Skepsis auf die politische Kaste geblickt. In diesem Geist wuchs Michael Ruetz auf und interessierte sich zunächst sehr für Asien, insbesondere das kommunistisch geprägte China, dessen Diktator Mao als Revolutionär für die gute Sache verklärt wurde. Ruetz studierte zunächst im Hauptfach Sinologie, dazu Japanologie und Publizistik, in Freiburg, München und Berlin. Obwohl er bereits 1966 erste fotografische Arbeiten vorlegte, konnte er zu dieser Zeit keinesfalls als professioneller Fotograf gelten – und war das auch nicht, als 1968 die Studentenproteste ihren Höhepunkt erreichten und von Michael Ruetz in zahlreichen eindrucksvollen und vielgezeigten Bildern festgehalten wurden. Hauptberuflich hatte Ruetz da noch zwei Assistentenstellen an der Universität inne und besuchte die Veranstaltungen nur aus privater Neugier und Anteilnahme.
Bildgewaltiger Chronist der Studentenproteste
Michael Ruetz wurde zum bildgewaltigen Chronisten der Berliner APO. Seine prägnanten Schwarz-Weiß-Aufnahmen erschienen nicht nur in den deutschen Medien Spiegel und Zeit, sondern auch in den internationalen Magazinen Time und Life. Sie erlangten weltweit Bekanntheit und Michael Ruetz fasste seine Arbeiten aus dieser Zeit 1980 in einem Buch zusammen, das unter dem etwas sperrigen Titel Ihr müsst diesen Typen nur ins Gesicht sehen. APO Berlin 1966–1969 erschien. Dieser Erfolg bedeutete die endgültige Hinwendung zur Fotografie und führte Ruetz in den Folgejahren als Bildjournalist rund um die Welt. Für den Stern dokumentierte er die Weltfestspiele der Jugend in der DDR, den Prager Frühling, die Militärdiktatur in Griechenland, den Aufstieg von Salvador Allende in Chile und andere denkwürdige Ereignisse. Es entstanden fotografische Porträts von den Größen der Zeitgeschichte, von Helmut Kohl und François Mitterand.
Unterschiede zwischen digitaler und analoger Fotografie
Michael Ruetz hat sein fotografisches Handwerk noch mit analogem Rüstzeug gelernt, steht der digitalen Fotografie aber keinesfalls ablehnend gegenüber. Für Ruetz ist die digitale Fotografie letzten Endes auch ein malerisches Medium. Mehr noch als die analoge Fotografie erlaubt sie die Arbeit mit dem Bild, das Verändern der Farben, den gestaltenden Eingriff des Künstlers. Gleichzeitig hat sie die Fotografie aber auch mehr denn je zum Massenphänomen gemacht. Fotografische Dokumentation ist heute dank der allgegenwärtigen Smartphones immer und überall möglich und der Berufsfotograf tritt zunehmend in den Hintergrund. Dieser Entwicklung setzt Ruetz die Beschäftigung mit kulturhistorischen Themen entgegen, seine modernen Bilderserien speisen sich nicht aus zeitaktuellen Ereignissen, sondern aus den Lebenslinien Goethes und Fontanes. Für seine Kunst erhielt Michael Ruetz Preise und Auszeichnungen, darunter 1979 den Otto-Steinert-Preis, 1981 den Villa-Massimo-Preis und 2002 den Ordre des Arts et des Lettres.
Michael Ruetz lebt und arbeitet heute vorwiegend in Berlin. Er ist verheiratet und Vater einer Tochter.
Michael Ruetz - Werke, die bereits im Kunsthaus Lempertz verkauft wurden: