Heinrich Vogeler verabscheute die Wirklichkeit, erträumte sich eine idealisierte Kunstwelt und bewegte sich auf seiner lebenslangen Flucht unweigerlich auf ein tragisches Ende zu. Sein Ringen mit unerfüllter Sehnsucht und vergeblicher Hoffnung schenkte der Nachwelt jedoch ein kostbares künstlerisches Vermächtnis, das bis heute nichts von seiner Faszination verloren hat.
(...) WeiterlesenHeinrich Vogeler ging schon früh eigene Wege
Heinrich Vogeler wurde am 12. Dezember 1872 als zweites von sieben Kindern der Eheleute Carl Eduard und Marie Louise Vogeler in Bremen geboren. Weil sein älterer Bruder früh starb, sollte er die Leitung des Familiengeschäfts, eines Eisenwarengroßhandels, übernehmen. Vogeler setzte jedoch stattdessen den Besuch der Kunstakademie in Düsseldorf durch, geriet dort aber trotz anfänglicher Erfolge in Konflikt mit seinem Lehrer Johann Peter Theodor Janssen, dessen Lehrmethoden dem unangepassten jungen Mann nicht zusagten. Während des Studiums trat Heinrich Vogeler der Künstlerverbindung Tartarus bei und erhielt den Spitznamen, der ihn sein Leben lang begleiten sollte: »Mining«, nach einer fiktiven Figur des Schriftstellers Fritz Reuter. Nach dem unerwarteten Tod des Vaters ermöglichte das ihm zustehende Erbe ein zunächst sorgenfreies Künstlerleben. Heinrich Vogeler unternahm zahlreiche Reisen, die ihn unter anderem nach Brügge und Paris führten, und gelangte schließlich an den Ort, an dem er seine vielleicht wichtigste Zeit erlebte: Worpswede.
Künstlerisch fruchtbare Jahre in Worpswede
In Worpswede entstand eine berühmte Künstlerkolonie, zu der neben Heinrich Vogeler noch Carl Vinnen, Hans am Ende, Fritz Overbeck, Fritz Mackensen und Otto Modersohn gehörten. Das Zentrum bildete der »Barkenhoff« (niederdeutsch für ›Birkenhof‹), das prächtige Landhaus Heinrich Vogelers. Entstanden in den ersten Jahren noch düstere, schwermütige Landschaften, wandte sich Vogeler bald einem präraffaelitischen Jugendstil zu, schuf idyllische Darstellungen von Bibel- und Märchenmotiven. Seinen Freunden galt er als wirklichkeitsscheuer Träumer, der sich seine eigene Welt erdachte. Im Jahr 1901 gab es innerhalb der Barkenhoff-Familie gleich drei Hochzeiten: Der Dichter Rainer Maria Rilke und die Bildhauerin Clara Westhoff, die Maler Otto Modersohn und Paula Modersohn-Becker sowie Heinrich und Martha Vogeler, die ihrem Mann mehrfach Modell gestanden hatte und von ihm als Muse betrachtet wurde. Die Ehe der Vogelers war von wachsendem Unverständnis und einer kühlen Distanz belastet; beides schimmerte auf den zahlreichen Gemälden, die Heinrich Vogeler von seiner Frau anfertigte, auf eigentümliche Weise durch. Die heile Welt des Barkenhoffs, die Vogeler so wunderbar künstlerisch festhielt, entpuppte sich immer mehr als haltlose Fassade. Höhepunkt seiner malerischen Entfaltung in den Worpsweder Jahren war das Bild Sommerabend, das heute als Heinrich Vogelers berühmtestes Werk gilt.
Glühender Verfechter kommunistischer Lehren
1908 gründete Heinrich Vogeler die »Worpsweder Werkstätten«, in denen Möbel und sonstiges Interieur entworfen wurden; einer seiner bedeutendsten Erfolge war die Neugestaltung der Güldenkammer des Bremer Rathauses, die ihm Gustav Pauli vermittelt hatte. Unter dem Eindruck des Ersten Weltkriegs wandte sich Vogeler dem Kommunismus zu, woran seine Ehe endgültig zerbrach. Der Künstler steigerte sich in soziale Utopien hinein, pflegte zeitweilig eine Beziehung der Revolutionärin Marie Griesbach, gründete mit ihr eine Arbeiterschule und emigrierte schließlich in die Sowjetunion. Der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs führte aufgrund seiner deutschen Staatsbürgerschaft zu seiner Zwangsevakuierung nach Kasachstan – obwohl er sich zuvor leidenschaftlich und lautstark gegen den Nationalsozialismus engagiert hatte.
Am Ende seiner Kräfte und völlig mittellos starb Heinrich Vogeler am 14. Juni 1942 in einem Krankenhaus in der Ödnis seines kasachischen Exils. Die Lage seines Grabes ist bis heute nicht bekannt.
Heinrich Vogeler - Werke, die bereits im Kunsthaus Lempertz verkauft wurden: