Garry Winogrand fotografierte den amerikanischen Alltag, wie er ihn auf der Straße antraf. Seine spontanen und authentischen Bilder versprühen eine Lebendigkeit und Lebenswirklichkeit, wie sie vor und nach ihm von kaum einem Fotokünstler erreicht wurden.
(...) WeiterlesenGarry Winogrand - Studium bei Alexei Brodowitsch, Inspiration durch Walker Evans
Garry Winogrand wurde am 14. Januar 1928 in New York geboren. Seine Eltern waren als Einwanderer aus Ungarn und Polen in die USA gekommen, der Vater verdiente das Auskommen der Familie als einfacher Arbeiter in der Bekleidungsindustrie. Garry Winogrand wuchs in bescheidenen Verhältnissen auf, oft blieb ihm als einzige Vergnügung nur der neugierige Streifzug durch die Bronx, einem New Yorker Arbeiterviertel mit jüdischer Prägung. Trotz der widrigen Umstände absolvierte er die High-School und begann nach seinem Militärdienst bei der amerikanischen Luftwaffe ein Mal- und Fotografiestudium an der Columbia-Universität. Schnell kristallisierte sich die Fotografie als eigentlicher Schwerpunkt heraus und 1951 gehörte Garry Winogrand der Fotojournalismus-Klasse des russischstämmigen Grafikdesigners Alexei Brodowitsch an. Zur selben Zeit fing er an, Bildbeiträge in verschiedenen Magazinen zu publizieren, darunter so klangvolle Namen wie Harper's Bazaar. In den 1960er-Jahren entdeckte Winogrand sein früheres Revier, die Straße, als bevorzugtes Arbeitsgebiet. Dabei ließ er sich auch von dem Werk des Straßenfotografen Walker Evans inspirieren, der als Erster dieses Sujet für seine Arbeit gewählt hatte.
Ein rastloser Arbeiter mit einem gewaltigen Nachlass
Garry Winogrand fotografierte auf seinen Streifzügen durch die Straßen der Großstädte geradezu rastlos, ließ kaum ein mögliches Motiv aus und schaffte es nach der Schilderung seines ehemaligen Schülers Mason Resnick mit spielerischer Leichtigkeit, für einen einzigen Häuserblock eine komplette Filmrolle zu verbrauchen. Bei dieser Geschwindigkeit blieb dem Fotografen natürlich keine Möglichkeit, seine Bilder zu begutachten. Da er zeitlebens darauf bestand, allein zu arbeiten, kam es nicht selten vor, dass bestimmte Negative nicht auffindbar waren und der Künstler seine eigenen Arbeiten vergeblich suchte. Entsprechend umfangreich fiel sein Nachlass aus, neben tausenden unsortierter Negative gab es allein 2.500 unentwickelte Filme – eine wahre Schatzgrube, die es für die Nachwelt zu heben galt. Garry Winogrand komponierte nicht, inszenierte nicht, suchte nicht – er fotografierte einfach. Ständig, immerzu, in jedem Augenblick – so viel, dass es für gleich mehrere Fotografenleben gereicht hätte. Vielleicht ahnte der Getriebene, dass ihm nur ein kurzes Leben bestimmt war und hetzte deshalb ununterbrochen hinaus auf die Straßen.
Garry Winogrand fotografierte mehr als nur Straßen
Garry Winogrand gründete seinen beträchtlichen Ruhm nahezu ausschließlich auf seine Arbeit als Straßenfotograf, obwohl sein tatsächliches Oeuvre breiter gefächert war und beispielsweise auch ein vielbeachtetes Fotobuch über Tiere beinhaltete. In den 1970er-Jahren veränderte sich die Arbeitsweise Garry Winogrands; er streifte nicht mehr zu Fuß durch die Straßen von Los Angeles, sondern ließ sich von seinem Fotolaboranten im Auto chauffieren. Auch zum Fotografieren stieg er nicht mehr aus, sondern nahm seine Bilder vom Beifahrersitz auf – es gilt unter Kennern als Konsens, dass die Qualität seiner Arbeit in diesen Jahren kontinuierlich abnahm. Zu diesem Zeitpunkt hatte er sich in der Kunstwelt allerdings längst unsterblich gemacht: Drei Guggenheim-Stipendien unterstrichen nicht nur den künstlerischen Wert seiner Fotografien, sondern ermöglichten ihm auch Reisen durch die USA, die er für die Verwirklichung weiterer Projekte nutzte. Als Lehrer wirkte er an Universitäten in New York, Chicago und Austin.
Garry Winogrand starb am 19. März 1984 in Tijuana, Mexiko im Alter von 56 Jahren an Gallenblasen-Krebs.
Garry Winogrand - Werke, die bereits im Kunsthaus Lempertz verkauft wurden: