Louis Anquetin - Elégante de profil au Bal Mabille - image-1
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Lot 201 Dα

Louis Anquetin - Elégante de profil au Bal Mabille

Auktion 1004 - Übersicht Köln
30.11.2012, 00:00 - Moderne Kunst
Schätzpreis: 50.000 € - 70.000 €
Ergebnis: 170.800 € (inkl. Aufgeld)

Öl auf Leinwand, doubliert, 90,5/91 x 72/72,5 cm, gerahmt. Links in der Darstellung auf dem Sockel des Postamentes schwarz signiert und datiert 'Anquetin 88'. - Die alte Leinwand wachsdoubliert; mit stärkerem Craquelé und alten Retuschen; eine oberflächliche Kratzspur in der linken Bildhälfte unten jüngst fachmännisch restauriert.

Ist Louis Anquetin vor allem als Maler des "Petit Boulevard" bekannt geworden, so gibt das vorliegende Gemälde mit dem Profil einer eleganten Passantin vor nächtlich illuminierter Kulisse zwischen hohen Bäumen ein Motiv vom "Bal Mabille" der Champs Élysées wieder, ein öffentliches Tanzvergnügen, das ganz die Atmosphäre einer saturierten "Belle Époque" darzustellen scheint, wären da nicht auffallende formale Elemente. Die Strenge der Komposition, die Statik des dekorativen Profils, die summarische Darstellung der Kulissen und die merkwürdigen karikaturalen Anklänge in den überlängten Hintergrundfiguren zwischen ihnen - alles mit dunkler Kontur graphisch fest umrissen -, irritierten und wurden gleich bei Erscheinen kommentiert:
"Au premier aspect [...], ces oeuvres donnent l'idée d'une peinture décorative, un tracé en dehors, une coloration violente et arrêtée, rappelant inévitablement l'imagerie et le japonisme (...) le travail du peintre sera quelque chose comme une peinture par compartiments analoques au cloisonné, et sa technique consistera en une sorte de Cloisonnisme" - schrieb Edouard Dujardin in "La Revue Indépendante" vom 19. März 1888 angesichts der jüngsten Arbeiten von Louis Anquetin im Salon des Indépendants. Er prägte damit wieder einen neuen Kunstbegriff, der sich nachfolgend mit den Stilbestrebungen von Emile Bernard, Pont-Aven und den Nabis historisch verbinden sollte, zunächst aber auf Louis Anquetin gemünzt war (zit. nach: Frédéric Destremau, Anquetin, op. cit. S. 109).
Anquetin und Toulouse-Lautrec waren engste Freunde, dies mag den freien formal-satirischen Zug im Bilde erklären, die willkürliche Übertreibung und Verkürzung von Details. Emile Bernard stösst 1884 dazu, 1886 begegnet Vincent van Gogh während seines Pariser Aufenthaltes eben diesem kleinen Zirkel und vertieft ihre kunsttheoretischen Debatten um das Erlebnis der japanischen Kunst: er ist es, der Henri Toulouse-Lautrec, Emile Bernard und Louis Anquetin 1887 mit dem japanischen Holzschnitt vertraut macht, in dem er sie bei dem Kunsthändler Samuel Bing einführt und ihnen im Café du Tambourin am Boulevard de Clichy in seiner Ausstellung die Drucke zeigt, die er und sein Bruder Theo zu sammeln begonnen haben (vgl. Cornelia Homburg, Vincent van Gogh and the painters of the Petit Boulevard, Ausst. Kat. Saint Louis Art Museum/ Städelsches Kunstinstitut Frankfurt, New York 2001, insbesondere S. 26, 120 und 210). Van Gogh profitiert seinerseits von dem regen Austausch unter den Freunden und schaut sich offensichtlich ihre Bilder sehr genau an.
Das Entstehungsjahr des vorliegenden Gemäldes, das noch auf einem Photo aus den 1890er Jahren auf der Atelierwand des Künstlers zu sehen ist (s. Vergleichsabb.), zeigt Anquetin auf dem Höhepunkt dieser stilistischen Entwicklungen. In diesem Jahr wird er auch zu den Ausstellungen der Künstlergruppe "XX" nach Brüssel eingeladen. Neue kühne Perspektiven, eine artifizielle Bildarchitektur, starke Farbakzente, eine neue Flächigkeit und graphische Konturierungen prägen zu diesem Zeitpunkt seine Kunst. Während er in der 2. Hälfte der 1890er Jahre die künstlerischen Experimente zugunsten konservativer Wertvorstellungen wieder aufgibt, bleibt es sein Verdienst, andere Künstler auf ungeahnte Weise in diesen Jahren mit seinem Stil angestossen zu haben.
"L'apport de Louis Anquetin est considérable. Eminemment doué, prodique et généreux, il a ouvert à l'expression plastique des champs insoupconnés, que lui-même n'exploitera pas, n'en saississant pas la portée, mais auxquels d'autres sauront donner leur pleine signification. Il occupe ainsi une place unique dans l'histoire du post-impressionnisme." (Frédéric Destremau, Vorwort, in: Ausst. Kat. Brame & Lorenceau, op. cit., S. 10)

Zertifikat

Mit einer Expertise von Brame & Lorenceau, Paris, vom 11. Oktober 2012; das Gemälde ist im digitalen Archiv zum Werk Louis Anquetins registriert.

Provenienz

Ehemals Sammlung Josef Haubrich, Köln (bis 1961); seitdem in Familienbesitz, Privatbesitz Südamerika

Literaturhinweise

Frédéric Destremau, Anquetin, La Passion d'être Peintre, Ausst. Kat. Galerie Brame & Lorenceau, Paris 1991, Doc. 4, S. 14 (Atelierfoto)