Willi Baumeister - Scherzo (Riesen Abschied I) - image-1

Lot 226 D

Willi Baumeister - Scherzo (Riesen Abschied I)

Auktion 1004 - Übersicht Köln
30.11.2012, 00:00 - Moderne Kunst
Schätzpreis: 50.000 € - 60.000 €
Ergebnis: 67.100 € (inkl. Aufgeld)

Öl, Kunstharz, Spachtelkitt, teils gekratzt, auf Karton 46 x 54 cm, gerahmt (Originalrahmung). Oben rechts mit Bleistift in die noch nasse Farbe geritzt signiert und datiert 'Baumeister 7.48' sowie rückseitig mit roséfarbener und schwarzer Kreide betitelt und zusätzlich datiert 'Scerzo [sic] 7.48'.

Beye/F. Baumeister 1320; Grohmann 961 (dort "1.48" datiert)

In seiner 1963 erschienenen Monographie über das Leben und Werk Willi Baumeisters hat Will Grohmann das Bild „Scherzo“ trotz des musikalischen Titels in die 1946 begonnene Gruppe der „Urzeitgestalten“, zu denen auch die „Riesen“ gehören, eingeteilt. Diese Gruppierung hatte er zum Zwecke einer besseren Übersicht vorgenommen. Dabei haben sich häufig mehrere Gruppen zeitlich überschnitten, aber auch Kompositionsschemata miteinander verzahnt. Der Titel „Riesen Abschied I“ spielt auf eine mythische Vorstellung an, hat also trotz der frei improvisierten Komposition einen epischen Charakter. Mittig im oberen Bereich erkennt man das Motiv der „Riesen“-Bilder, welches jedoch in seiner verkleinerten Form, sozusagen als Bild im Bild, zu entschwinden scheint. Der Titel deutet darauf hin, es geht um den „Riesen-Abschied“. Das Bestimmende des Bildes sind jedoch die Linien, teils zweifarbig abgesetzt in Braun und Weiß, teils punktiert, in farbige Zonen eingebettet und damit einerseits belebt und andererseits in ihrer graphischen Wirkung gemildert. Die farbigen Bereiche auf hellem sandfarbigen Untergrund sind vom Künstler bewusst stumpf gehalten. Das Bild zeigt, dass Baumeister aus der Fülle seiner bildnerischen Ideen und Erfahrungen geschöpft hat. Die einzelnen Zeichen kommen wie Hieroglyphen daher, die jedoch ohne Code nicht zu entschlüsseln sind. Besonders wichtig war dem Künstler die Behandlung der Oberfläche. Hier arbeitete er mit Spachtelkitt, den er reliefhaft modelliert, bzw. wie im Bereich der Bodenlinie durch ‚Kammzug' aufgefurcht hat. Durch diese Bodenlinie wird ein optischer Sehraum, bestehend aus Vorder- und Hintergrund vorgestellt und eröffnet eine einfache abstrahierte Räumlichkeit unter Verzicht auf gegenständliche Ausgangspunkte. Insgesamt erscheint das Bild relativ hell, womit Baumeister seiner Freude über das Ende des Krieges Ausdruck verleihen wollte. Eine heitere Lebensbejahung hat die Bilder dieser Nachkriegsjahre bestimmt. Ruhe und Bewegung bedingen sich im freien Formenspiel, sie sind in wechselseitiger Abhängigkeit gedacht.

Werkverzeichnis

1320 Beye/F. Baumeister; Grohmann 961 (dort als "1

Provenienz

Else Bitter, Bielefeld; Lempertz Auktion 607, 4.6.1985, lot 51; Privatsammlung Rheinland