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Lot 555 R

Hanne Darboven - Atta Troll

Auktion 1005 - Übersicht Köln
01.12.2012, 11:00 - Zeitgenössische Kunst
Schätzpreis: 80.000 € - 120.000 €
Ergebnis: 85.400 € (inkl. Aufgeld)

125-teilige Arbeit: jeweils Filzschreiber auf Papier 29,7 x 21 cm, einzeln unter Glas gerahmt. Das Werk umfasst 8 Blatt Vorrede und 117 Blatt Versepos. Blatt 8 der Vorrede signiert, datiert, betitelt und beschriftet 'Atta Troll Epen caput I -> caput XXVII Dezember, 1846 Paris, Heinrich Heine, hanne darboven, Feb. 1989 am burgberg heute' [durchgestrichen].

Hanne Darboven gilt als Protagonistin der internationalen Konzeptkunst: Mit nüchterner Konsequenz beschrieb sie abertausende Blätter mit ihrer markanten Handschrift und unterwarf das Aufgezeichnete einer strengen, dem Betrachter oftmals zunächst nur schwer zugänglichen, Konstruktion aus Zahlen, Buchstaben und Wörtern. Grundlegend für Darbovens Œuvre ist die Beschäftigung mit Zeit, deren Verlauf sie teils auf der Grundlage autobiographischer Erlebnisse, teils an Hand zeitgeschichtlich-literarischen Materials dokumentiert: Seit Mitte der 1970er Jahre beschäftigte sich die Künstlerin mit Werken von Homer, Immanuel Kant, Alexander von Humboldt, Johann Wolfgang von Goethe u.a. - „den Leitbildern ihres Lebens“ (Stiftung Hanne Darboven).
In der vorliegenden Arbeit widmete sie sich Heinrich Heines gesellschaftskritischem Versepos „Atta Troll. Ein Sommernachtstraum“ (1841/42). Heine erzählt - deutlich auf die Entwicklungen und Ideen des Vormärz anspielend - die Geschichte des Tanzbären Atta Troll, der aus der Gefangenschaft bei den Menschen flieht, bei dem Versuch, ein Leben in Freiheit zu führen, jedoch scheitert. In Hanne Darbovens Adaption ist von den politischen Spitzen und dem Zynismus des Ursprungswerkes nichts zu spüren, vielmehr erzählt sie in ihrer Version des „Atta Troll“ eine Geschichte der nüchternen Systematik: Auf der linken Blatthälfte setzt sie Noten und Zahlen in eine Notenzeile und platziert gegenüber ihre charakteristische Wellenschrift, die auch von vielen ihrer anderer Arbeiten bekannt ist. Diese Systematik wendet sie konsequent an, so dass auf 117 Blättern ein visuell geprägtes Konzept sichtbar wird, das auf Instrumenten gespielt werden kann. Die Transformation von Text in Musik, in ein Medium also, das erheblich von Zeiteinteilung bestimmt wird, spielt bei Darboven seit 1980 eine große Rolle. In Darbovens Notensystem entspricht jede Ziffer einer bestimmten Tonhöhe: 0 steht für d, die 1 für e usw. Sie zählt somit die einzelnen Wörter jeder Verszeile und fügt die Zahl in die entsprechende Notenlinie ein, z.B. ergibt sich bei den ersten beiden Versen des Caput I (siehe Abb.):

„Rings umragt von dunklen Bergen, (5 Wörter)
die sich trotzig übergipfeln, (4)
Und von wilden Wasserstürzen (4)
Eingelullelt, wie ein Traumbild, (4)

Liegt im Thal das elegante (5)
Cauteret. Die weißen Häuschen (4)
Mit Balkonen; schöne Damen (4)
Stehn drauf und lachen herzlich. (5)

Eingetragen an die entsprechende Stelle des Tonleiters entsteht somit die Tonfolge H,A,A,A / H,A,A,H. Insgesamt 27 Verse hat Darboven auf diese Weise ins Musikalische übertragen.

Bereits 1975 hatte sich die Künstlerin mit „Atta Troll“ beschäftigt: Jene Version des Werkes ist etwas kürzer und wurde 1975 im Kunstmuseum Luzern ausgestellt. Ihr liegt eine andere Systematik zugrunde, bei der die Wörter gezählt und ausgeschrieben werden. Aus der ersten Verszeile wird in dieser Arbeit ein „einszweidreivierfünf“, aus der zweiten „einszweidreivier“ etc.

Provenienz

Galerie Elisabeth Kaufmann, Zürich; Privatbesitz, Schweiz