Günther Förg - Ohne Titel (Bruno Taut, Istanbul) - image-1

Lot 25 D

Günther Förg - Ohne Titel (Bruno Taut, Istanbul)

Auktion 1142 - Übersicht Köln
29.11.2019, 13:30 - Photographie
Schätzpreis: 40.000 € - 50.000 €
Ergebnis: 37.200 € (inkl. Aufgeld)

Günther Förg

Ohne Titel (Bruno Taut, Istanbul)
2001

C-Print auf Hartfaserplatte unter UV-Schutzfolie. 273,5 x 183,2 cm (Rahmenmaß). Unikat. - In Künstlerrahmen.

'Das Fenster zum Bosporus' titelt ein Artikel in der ZEIT vom 5. Januar 2001. Ayhan Bakirdoegen beschreibt darin die Rolle deutscher Künstler und Intellektueller in der Türkei unter Mustafa Kemal Atatürk, darunter auch die mehrerer Architekten. Einige von ihnen waren dem Ruf der jungen türkischen Regierung gefolgt, um an der Modernisierung der jungen Republik mitzuwirken, viele - so auch Bruno Taut - kamen jedoch, um der Verfolgung unter dem Naziregime zu entgehen. Fast möchte man meinen, dass es dieser Artikel war, der Günther Förg zu der hier vorliegenden, aus demselben Jahr stammenden Photographie veranlasste. Zumindest mag er aber Anlass gewesen sein, sich mit dem Thema der Moderne im türkischen Exil zu beschäftigen. Die Architektur der zwanziger und dreißiger Jahre spielt im photographischen Werk von Günther Förg eine wichtige Rolle. Oft suchte er die weniger berühmten, nur Architekturkennern bekannten Bauten jener Jahre auf, um sie zu photographieren. Er vermeidet dabei jedoch jede Heroisierung der Moderne - im Gegenteil: Man sieht den Gebäuden an, dass sie in die Jahre gekommen sind. Oft zeigen sie Altersspuren oder wirken verwahrlost, scheinen in Vergessenheit geraten zu sein. Seit 1995 arbeitete Förg projektbezogen, etwa bei der Erkundung früher sowjetischer Architektur oder bei seinen Photographien von Bauten des italienischen Rationalismus. Auch Förgs Reise in die Türkei im Jahr 2001 zu den Gebäuden von Bruno Taut, Paul Bonatz, Clemens Holzmeister und anderen Exilanten war ein solches Projekt. Hierbei entstanden mehrere Aufnahmen von Bruno Tauts Wohnhaus in Istanbul aus dem Jahr 1937/38, einem pagodenhaften Haus auf Stelzen oberhalb des Bosporus, das so gar nicht in das landläufige Bild der Architekturmoderne zu passen scheint, aber vielleicht gerade deshalb Förgs Interesse weckte.
Der Aufnahmestil hat, wie so oft bei Förgs Architekturaufnahmen, etwas Unfertiges, Schnappschussartiges. Förg bedient sich einer Kleinbildkamera, stürzende Linien und Motivunschärfe sind beabsichtigt bzw. Folge der extremen Vergrößerung. Der Bildausschnitt sitzt etwas schief, der Mittelpunkt der symmetrischen Fensterfront ist aus dem Zentrum gerückt. Der Raum wird zur Fläche, geprägt durch die bildstrukturierende Horizontalgliederung der dunklen Wandflächen und der hellen, rhythmisierten Fensterbänder. Fenster sind ein wiederkehrendes Element in Förgs Ikonographie: Der Blick wird hier jedoch nicht, wie so oft bei Förg, hinausgeleitet auf das beeindruckende Panorama des Bosporus, sondern verfängt sich in den Ästen vor dem Fenster, der Hintergrund verliert sich im Dunst. Die Gegenlichtaufnahme bewirkt, dass der Vordergrund im Dunkeln und der Ausblick verwehrt bleiben. Mit Blick auf die eingangs erwähnte Situation der Exilanten in der Türkei in den dreißiger Jahren vermag dieser Innenraum mit 'Fenster zum Bosporus', so wie ihn Förg in seiner Photographie auffasst, nicht den Eindruck eines Ortes zu vermitteln, von dem aus hoffnungsvoll in die Zukunft geblickt wurde.

Werkverzeichnis

WV F.01.F.0525

Provenienz

Vom Künstler an den heutigen Eigentümer, Privatsammlung, Süddeutschland