Max Slevogt - Portrait der Tänzerin Sadayakko mit ihrem Ziehsohn Raikichi - image-1
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Lot 659 Rα

Max Slevogt - Portrait der Tänzerin Sadayakko mit ihrem Ziehsohn Raikichi

Auktion 1013 - Übersicht Köln
25.05.2013, 11:30 - Moderne Kunst und Sammlung Rau für UNICEF - 25. Mai 2013
Schätzpreis: 250.000 € - 300.000 €
Ergebnis: 439.200 € (inkl. Aufgeld)

Öl auf Leinwand 132,2 x 110,5 cm, gerahmt. Unten rechts blau signiert 'Slevogt' sowie am rechten Bildrand oben mit schwarzem Pinsel in zwei Zeilen von Sadayakko zusätzlich japanisch eigenhändig beschriftet und mit dem Datum versehen: "Meiji 34 nen 12 gatsu muika/ Nihon Kawakami Sadayakko" bzw. übersetzt: "Meiji 34 [= 1901], 12. Monat, 20. Tag/ Kawakami Sadayakko aus Japan". - Innerhalb der linken japanischen Pinselschriftzeile eine dünne, schwach kenntliche Bleistiftskizze mit dem Profil der schreitenden Tänzerin als Gewandfigur. - Stellenweise mit vereinzelten fachmännischen Retuschen.

Imiela, Anm. 15, 2., S. 373
Wir danken Peter Pantzer, Wien, Prof. Dr. em., Inst. für Japanologie der Universität Bonn, für freundliche Hilfestellung und wissenschaftliche Hinweise sowie Bernhard Geil, Slevogthof Neukastel, für weiterführende Informationen. Wir danken Sigrun Paas, Mainz, für relevante freundliche Auskünfte.

Sammlung Rau für UNICEF

Sadayakko (auch "Sada Yacco", 1868-1932) hatte zusammen mit der gefeierten Schauspielertruppe ihres Mannes Kawakami Otojiro um 1900 erstmals das bisher kaum bekannte japanische Bühnentheater in der westlichen Welt zur lebendigen Anschauung gebracht. Man empfand die farbenprächtigen Inszenierungen als ästhetisch außerordentlich faszinierend. Nach sensationell erfolgreicher Tournee in den USA und in Frankreich - in Paris war die anmutige Sadayakko anläßlich der Weltausstellung 1900 aufgetreten - gastierte sie im November/Dezember des Jahres 1901 in Berlin. Am Zentral-Theater und in dem von Ernst von Wolzogen neu etablierten "Bunten Theater", dem sog. "Überbrettl", wurde die Tänzerin als ungewöhnliche, bezaubernde Erscheinung wahrgenommen. Selbst Zeitungskommentare zogen Vergleiche zur bildenden Kunst:
"Ein Gemälde steht vor uns, und diese Malerei fängt an zu leben und sich zu bewegen und setzt sich um in tausend immer neue Bilder, eins ebenso vollendet wie das andere." ("Der Tag", Berlin, zit. nach Peter Pantzer, op. cit., LXIV).
Sadayakkos Auftritte sind gut dokumentiert, auch daß der Künstler Max Slevogt nach eigenen Angaben im "Winter 01 auf 2" zwei Gemälde von "Sada Yacco" schuf (Bernhard Geil, Slevogt-Archiv), so daß irrtümlich tradierte Datierungen für seine beiden Porträts von Sadayakko ("1906") völlig ausgeschlossen werden können.
Das vorliegende Gemälde ist eines der ersten Berliner Meisterwerke Slevogts nach seiner Übersiedlung von München nach Berlin im November 1901. Durch die Darstellung graziler Bewegung in der Figur unterscheidet es sich von dem fast gleichgrossen Bühnenporträt Sadayakkos aus der Sammlung Kohl-Weigand (heute Saarland-Museum Saarbrücken, s. Vergleichsabb.). Das Bildnis ist im Vergleich zur anderen Fassung zudem formal wie anekdotisch bereichert durch die Zufügung des Kindes. Nicht zuletzt sind die kalligraphischen Pinselzüge, die von der Tänzerin selbst stammen, für die vorliegende Komposition bedeutsam: sie sind wie eine kostbares fremdes Autogramm erhalten und bleiben dem Porträt Slevogts quasi als ebenbürtiges graphisches Element eingeschrieben. Der Künstler scheint sogar malerisch auf sie zu reagieren, wenn er dem farbsprühenden Kimono einen dunkleren senkrechten Pinselzug hinzufügt, als wären die Hälften des grossen Bildformates so unmerklich auszuponderieren.
Slevogts Malerei, ihre Eigentümlichkeiten und Charakteristika, finden im japanischen Sujet eine ideale Entsprechung: die Negierung des Raums, der leere Grund, das Unkörperliche der Figur, die impulsive Skizzenhaftigkeit der Darstellung, das farbintensive, abstrakte Linienspiel, die Pinselführung - all dies scheint ästhetisch der Kunst Asiens verpflichtet. Diese Elemente sind jedoch seiner Malerei grundsätzlich eigentümlich: man hat die "Linie" bei Slevogt geradezu "als sinnstiftendes Element" seines Bildkonzeptes beschrieben (Meinrad Maria Grewenig, Max Slevogts impressionistisches Bildkonzept, in: Ausst. Kat. Max Slevogt, Saarland Museum Saarbrücken, 1992, vg. S. 133).
Thematisch gibt es in der Entstehungszeit des vorliegenden Sadayakko-Porträts direkte Zusammenhänge zu anderen Bühnenstudien Slevogts: zur Beschäftigung mit Mozarts "Don Giovanni" und der Realisierung des "Champagnerliedes" (1902, heute Staatsgalerie Stuttgart). "Sada Yacco" geht dem Rollenporträt von Francisco d'Andrade unmittelbar voraus.
"Slevogts Kunst, ihre 'Musik', ist 'modern' [...] Sie ist bei aller impressionistischen Oberflächensensibilität bestimmt von Widersprüchen, den Widersprüchen von Figur und Grund, von Ganzem und Teil, dem Widerspruch zwischen expressiver, energetischer Linie und von ihr zerrissener oder frei wehender Farbe, von nervöser, reißender Zeitlichkeit und schwebendem Augenblick." (Lorenz Dittmann, Max Slevogt: Farbe und Zeitgestalt, in: Ausst. Kat. Saarbrücken, op. cit., S. 125)

Werkverzeichnis

Imiela, Anm. 15, 2., S. 373

Provenienz

Geschenk des Künstlers an Janos Plesch, Berlin; Prof. Peter H. Plesch (dem Sohn von J. Plesch); Christie's London 1985 (dort erworben)

Literaturhinweise

Hans-Jürgen Imiela, Das Bildnis des Francisco d'Andrade als Don Giovanni und die Schauspieler-Rollenporträts, in: Max Slevogt, Eine Monographie, Karlsruhe 1968, S. 69 ff., insbesondere S. 78; Christie, Manson & Woods Ltd., London 3.12.1985, Impressionist and Modern paintings and sculpture, Part II, lot 152 mit Farbabb. S. 64 ("The Property of Professor Peter Plesch/ Max Slevogt, Sada Yakko and a Japanese Child"), hier mit irrtümlicher Datierung ("20. December 1906"); Marc Restellini (Hg.), Meisterwerke von Fra Angelico bis Bonnard. Fünf Jahrhunderte Malerei. Die Sammlung des Dr. Rau, Ausst. Kat. Wallraf-Richartz-Museum in der Josef-Haubrich-Kunsthalle Köln/ Haus der Kunst, München, Genf 2001, Kat. Nr. 80, S. 198 mit Farbabb. S. 199 (irrtümlich "1906" datiert); Peter Pantzer, Japanischer Theaterhimmel über Europas Bühnen, Kawakami Otojiro, Sadayakko und ihre Truppe auf Tournee durch Mittel- und Osteuropa 1901/1902, München 2005, mit Farbabb. nach S. XI ("Sadayakko mit ihrem Ziehsohn Raikichi in Berlin"), S. LXV, LXXVIII, vgl. Abb. 2 und 5; Curt-Engelhorn-Stiftung/Reis-Engelhorn-Museen/Verband der Deutsch-Japanischen Gesellschaften (Hg.), Ferne Gefährten. 150 Jahre deutsch-japanische Beziehungen, Begleitband zur Sonderausstellung, Regensburg 2011, Nr. 103 mit Abb., S. 138/139

Ausstellung

Wanderausstellung Japan 1999-2000: Tokyo/Miyazaki/Shimane/Yokohama/Ehime (Yasuda Kasai Museum of Art, Tokyo/ Miyazaki Prefectural Art Museum/ Shimane Art Museum/ Sogo Museum of Art, Yokohama/ The Museum of Art, Ehime), Masterpieces from the Rau Collection: from Fra Angelico to Bonnard, Kat. Nr. 80 mit Farbabb. ("Portrait of Sada Yakko and a Japanese Child", hier "1906" datiert); Wanderausstellung Europa 2000-2002: Paris/ Rotterdam 2000/2001 (Musée du Luxembourg/ Kunsthalle Rotterdam), From Fra Angelico to Bonnard, Masterpieces from the Rau Collection, Kat. Nr. 80 mit Farbabb. ("1906" datiert); Köln/München 2001/2002 (Josef-Haubrich-Kunsthalle/ Haus der Kunst), Meisterwerke von Fra Angelico bis Bonnard. Fünf Jahrhunderte Malerei. Die Sammlung des Dr. Rau, Kat. Nr. 80 mit Farbabb. ("1906" datiert); Bergamo 2002 (Accademia Carrara), Collection Gustav Rau; Wanderausstellung Süd- und Nordamerika 2002-2006: Bogota 2002 (Casa de la Moneda, Biblioteca Luis Angel Arango), Collection Gustave Rau; Portland/ Dayton/ Nashville 2004/ 2005/ 2006 (Portland Art Museum/ The Dayton Art Institute/ Tennessee State Museum Nashville), Rau Collection; Mannheim 2011/2012 (Curt-Engelhorn-Stiftung für die Reiss-Engelhorn-Museen), Ferne Gefährten. 150 Jahre deutsch-japanische Beziehungen, Kat. Nr. 103