Joseph Beuys - Sonnenkreuz - image-1

Lot 611 D

Joseph Beuys - Sonnenkreuz

Auktion 1144 - Übersicht Köln
29.11.2019, 19:00 - Zeitgenössische Kunst I
Schätzpreis: 180.000 € - 200.000 €
Ergebnis: 396.800 € (inkl. Aufgeld)

Joseph Beuys

Sonnenkreuz
1947/1948

Bronze mit goldbrauner Patina. 36,2 x 19,8 x 5 cm. Eines von wenigen Exemplaren, die sich jeweils in der Ziselierung, Nachbearbeitung und Patina leicht unterscheiden. - Mit Atelierspuren.

Mit dem „Sonnenkreuz“, einem der frühesten künstlerischen Werke Joseph Beuys', gelingt dem jungen Künstler ein Werk von beispielloser Expressivität. Es steht noch unter dem stilistischen Einfluss seines Lehrers Ewald Mataré, verdeutlicht jedoch bereits die künstlerisch freie, eigenständige Auffassung, mit der sich Beuys schon in diesen Jahren als Künstler einen Namen macht. Er nutzt konventionelle Darstellungsmittel als Grundlage, um daraus etwas Neues, vielschichtig Durchdachtes zu erschaffen, das die klassische Ikonografie sprengt. Bis 1952 beschäftigt sich Beuys intensiv mit christlichen Themen, er gestaltet zahlreiche Kreuze sowie Pietà-Darstellungen und Taufsteine. Von diesen Stücken findet jedoch wegen ihrer unorthodoxen Gestaltung keines Eingang in einen Kirchenraum.
Die Kreuzbalken selbst sind nicht Bestandteil des „Sonnenkreuzes“, der Betrachter ergänzt sie automatisch beim Anblick der charakteristischen Haltung des Gekreuzigten. Dessen Körper ist in eine lineare Zickzackform gezwungen, der mehrfach abgeknickte Leib und die überlängten Arme erinnern an die intensive Veranschaulichung des Leidens Christi in gotische Kruzifixen.
Von Beginn an integriert Beuys archaische Motive in seine Werke. So ist der Christus des „Sonnenkreuzes“ anstelle der Dornenkrone mit üppigem Weinlaub und Trauben bekränzt, über ihm erstrahlt ein Sonnenrad. Das spirituelle Motiv des Sonnenrades oder der Sonnenscheibe findet sich oft in seinem Frühwerk. Antike Sonnenkulte überall auf der Welt verehrten die Sonne als Lebensquelle, in Zusammenhang mit der Kreuzigung Christi kann sie als Symbol der Wiedergeburt interpretiert werden. Der Traubenkranz wiederum stellt Christus in Verbindung mit antiken Gottheiten wie Dionysos und Apollon.
Diese Vielfalt von Bezügen und Bedeutungsebenen ist es, die Joseph Beuys schon zu diesem frühen Zeitpunkt seines Schaffens interessieren, wie er selbst ausführt: „Aber hier ist dann das Christliche mit Naturkräften in Zusammenhang gebracht, mit planetarischen Bewegungen, mit kosmischen Dimensionen. Es ist eine Mythologie in einer völlig neuen Konstellation. Das ist vielleicht das erste Anzeichen für den Übergang über die Schwelle, der mir wichtig ist.“ (Joseph Beuys, zit.nach: Franz Joseph van der Grinten, Friedhelm Mennekes, Menschenbild - Christusbild, Auseinandersetzung mit einem Thema, Stuttgart 1985, S.105)

Provenienz

Direkt vom Künstler erworben 1950/1951; Privatbesitz, Baden-Württemberg

Literaturhinweise

Friedhelm Mennekes (Hg.), Franz Joseph van der Grinten zu Joseph Beuys, Köln 1993, S.51 (anderes Exemplar)
Wouter Kotte, Ursula Mildner, Das Kreuz als Universalzeichen bei Joseph Beuys, Ein Requiem, Stuttgart 1986, S.24ff., S.60 mit Abb.3 (anderes Exemplar)
Franz Joseph van der Grinten, Friedhelm Mennekes, Menschenbild - Christusbild, Auseinandersetzung mit einem Thema der Gegenwartskunst, Stuttgart 1984, S.121 mit Abb. (anderes Exemplar)

Ausstellung

Düsseldorf 1991/1992 (Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen), Joseph Beuys, Natur Materie Form, Kat.Nr.39 mit Farbabb. (anderes Exemplar)
Kleve 1991 (Städtisches Museum Haus Koekkoek), Joseph Beuys, Kat.Nr.75, S.65 mit Farbabb. (anderes Exemplar)
Krefeld 1991 (Kaiser Wilhelm Museum), Joseph Beuys, Plastische Arbeiten 1947-1985, Kat.Nr.1 mit Abb. (anderes Exemplar)
Berlin 1988 (Martin-Gropius-Bau), Joseph Beuys, Skulpturen und Objekte, Kat.Nr.1, S.113 mit Farbabb. (anderes Exemplar)
Aachen/Ratingen 1985/1986 (Suermondt-Ludwig-Museum/Museumsverein), Kreuz + Zeichen, Religiöse Grundlagen im Werk von Joseph Beuys, Kat.Nr.1, Abb.14 (anderes Exemplar)