Ernst Barlach
Der Apostel I
1925
Gipsrelief, sandfarben getönt 62,2 x 59,2 x 9 cm E Barlach (eingeritzt)
Gipsrelief, sandfarben getönt, 62,2 x 59,2 x 9 cm. Unten rechts signiert 'E Barlach' (eingeritzt). - In schöner Erhaltung. Vereinzelte kleine oberflächliche Bestoßungen am Rahmen.
Mit einer zugehörigen Werkanalyse von Elmar Jansen, o.O., vom Januar 1998
Wir danken Elisabeth Laur, Hamburg, für freundliche Hinweise.
Provenienz
Geschenk des Künstlers an Adolf Kegebein, dem Architekten von Barlachs Atelierhaus in Güstrow, um 1930; seitdem in Familienbesitz
Literatur
Elisabeth Laur, Ernst Barlach. Das plastische Werk, Werkverzeichnis II, Güstrow 2006, S. 190f., vgl. Nrn. 377-381; Friedrich Schult, Ernst Barlach. Das plastische Werk, Hamburg 1960, S. 169f., vgl. Nrn. 295-298
Seit Herbst 1924 arbeitete Ernst Barlach an dem in Gips gefertigten Modell für das Relief "Der Apostel". Er entwickelte dabei zwei Versionen: Die eine, "Apostel II", besitzt einen glatten Grund und einen Rahmen, der an drei Seiten ein halbrundes Profil zeigt (vgl. Laur 379, vgl. Schult 296). Die andere Version, "Apostel I", die unserem Werk entspricht, weist einen rauhen Grund und einen kantig profilierten Rahmen auf. Von beiden Versionen übernahm Barlach Elemente für die Endfassung in Holz "Der Apostel" (vgl. Laur 381; vgl. Schult 298, Ernst Barlach Stiftung Güstrow), laut Jansen kann dabei das schärfer profilierte Modell von "Apostel I" (Laur 377; Schult 295) als das Urmodell angesehen werden.
Im November 1926 war Ernst Barlach innerhalb Güstrows in ein neues Atelierhaus in der Walkmühlenstraße umgezogen. Da er hier mit mehreren seiner Gipsmodelle Versuche unternahm, sie in Terrakotta ausführen zu lassen, nahm er aus technischen Gründen Gipsabformungen dieser Modelle vor. In diesem Zusammenhang entstanden laut Jansen auch von dem Urmodell des "Apostel I" weitere Gipsabformungen. Schult waren sie nicht bekannt, Laur nennt zwei weitere Gipse, jedoch nicht unser Exemplar. Jansen führt weiter aus, dass Barlach 1930/31, anlässlich seines Umzugs in das neue Atelierhaus am Heidberg, zwei Exemplare dieser Abformungen verschenkte. Eines erhielt der Baumeister Feine, das andere Adolf Kegebein (1894-1987), der Güstrower Architekt des Atelierhauses. Kegebein hatte Barlachs Kunst bereits 1913 während seines Studiums in Dresden kennengelernt. Zwischen beiden Männern entwickelte sich während der Bauphase ein freundschaftlicher Kontakt (vgl. Inge Tessenow (Hg.), Ernst Barlach - Marga Böhmer. Briefe, Güstrow 2012, S. 124f.). Als Barlach dieses Relief verschenkte, versah er es auch mit einer Signatur - wohingegen die anderen Exemplare sowie das Urmodell unbezeichnet sind.
Das vorliegende Relief ist nicht nur wegen seiner guten Erhaltung, sondern auch wegen der qualitätvollen Bearbeitung ein besonders schönes und ausdrucksstarkes Exemplar. Die rauh belassene Oberfläche und der kantige Rahmen stehen in eindrucksvollem Gegensatz zu der Intensität und emotionalen Tiefe der Darstellung. Mit einer Gestik und Mimik, aus der Eindringlichkeit, tiefe Überzeugung und zugleich auch Demut sprechen, scheint sich der Apostel mit großer Beredsamkeit an seine Zuhörer zu richten. Für Barlach war der "Apostel" offenbar besonders bedeutsam. 1928 schuf er eine Kohlezeichnung nach dem Relief, mit der laut Jansen wohl der Umschlag von Barlachs Autobiographie "Ein selbsterzähltes Leben" versehen werden sollte (vgl. Schult Zeichnungen Nr. 1940).
Werkverzeichnis
Laur 377; Schult 295
Zertifikat
Mit einer Werkanalyse von Elmar Jansen, o.O, vom Januar 1998
Provenienz
Geschenk des Künstlers an Adolf Kegebein, den Architekten von Barlachs Atelierhaus in Güstrow, um 1930; seitdem in Familienbesitz Berlin