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Lot 213 Dα

Ernst Barlach - Der singende Mann

Auktion 1043 - Übersicht Köln
28.11.2014, 18:00 - Moderne Kunst
Schätzpreis: 250.000 € - 300.000 €
Ergebnis: 688.000 € (inkl. Aufgeld)

Ernst Barlach

Der singende Mann
1928 (Guss 1930/1931)

Bronze Höhe 49,5 cm Am rechten unteren Gewandsaum signiert 'E. Barlach' und mit der eingeschlagenen Nummerierung versehen sowie rückseitig am Rand mit dem eingeschlagenen Gießerstempel "H. NOACK BERLIN FRIEDENAU". Exemplar 8/10. Einer von vermutlich insgesamt 16 Lebzeitgüssen. Laur erwähnt nur einen bekannt gewordenen nummerierten Guss (4/10) in Privatbesitz. Edition Flechtheim (mit fragmentiertem Etikett im Inneren). - Sehr schöne bronzefarbene, ins Oliv spielende Patina.

Bei dieser wohl berühmtesten Bronze von Barlach handelt es sich um ein Exemplar der seltenen frühen Flechtheim-Güsse aus der Bildgießerei Noack in Berlin Friedenau. 1926 nach dem Tod von Barlachs Freund Paul Cassirer vertrat der Berliner und Düsseldorfer Kunsthändler Alfred Flechtheim die Interessen des Künstlers. Trotz eigener finanzieller Probleme unterstützte Flechtheim Barlach, als es um den Bau eines neuen Atelierhauses im mecklenburgischen Güstrow ging. So schlossen die beiden am 14. Juli 1930 einen Vertrag, der den Guss von zwanzig unterschiedlichen Modellen der Jahre 1907 bis 1930 vorsah. "Der singende Mann" war zunächst als Zehnerauflage geplant; diese wurde bis 1931 realisiert. Da die Güsse auf Grund des großen Interesses an Barlachs Werken schnell verkauft waren, wurden noch zu Lebzeiten sechs weitere Exemplare gegossen. Das fragmentierte, aber sonst sehr typische Etikett an der Innenwand der Plastik kennzeichnet unseren Guss als Exemplar der begehrten frühen Flechtheim-Serie. Diese wurde im November und Dezember des Jahres 1930 in Flechtheims Galerien in Berlin und Düsseldorf präsentiert. Für die Öffentlichkeit war die Ausstellung eine kleine Sensation, kannte man doch vornehmlich die Holzskulpturen des Künstlers. Die positive öffentliche Resonanz schlug auf Grund der politischen Verhältnisse schon bald um.
Nach dem Krieg hat die Gießerei Noack den "Friedenau" Stempel, welcher ein Kennzeichen der frühen Güsse darstellt, nicht mehr verwendet. Nummerierte Güsse gab es - wie in unserem Falle - selten. Dabei sind die Numerierungen der alten Güsse als Bruch gestempelt, d.h. mit einem horizontalen Querstrich. Das vorliegende Exemplar des "Singenden Mannes" wurde, wie es für die frühen Güsse charakteristisch ist, gedengelt und im Sandgussverfahren erstellt. Typisch ist der grau-glitzernde Formsand, der sich plaqueartig an den Innenwänden befindet und damals von der Bildgießerei Noack verwendet wurde. Besonders schön an unserem Exemplar sind nicht nur die en detail ausgearbeiteten Füße und Hände, sondern auch die leicht ins Olivgrüne spielende Patina, welche durch das Einlegen in ein gesalztes Essigbad vor der Patinierung erfolgte.
Die Plastik "Der singende Mann" zählt zu den wichtigsten bildhauerischen Werken des deutschen Expressionismus. Ein auf dem Boden sitzender, inbrünstig singender Jüngling hält mit den Händen sein rechtes Knie umschlungen; das linke Bein liegt angewinkelt auf dem Boden. Die hierdurch hervorgerufene raumgreifende Dreieckskomposition, aber auch die Geste des Zurücklehnens wie auch die geschlossenen Augen betonen den zugleich expressiven und kontemplativen Charakter der Bronze. Die Haltung ist als Ausdruck einer gewissen spirituellen Verinnerlichung zu sehen; dabei sind die Gesichtszüge des "Singenden Mannes" ruhig und voller Besonnenheit.
"Der singende Mann" ist das einzige nummerierte Exemplar der frühen Flechtheim-Edition, welches seit Jahrzehnten auf dem Auktionsmarkt angeboten wird. Er stellt damit eine außerordentliche Rarität dar.

Werkverzeichnis

Laur 432; Schult I 343

Zertifikat

Wir danken, Hermann Noack sen., Berlin, für freundliche bestätigende Auskünfte vom 8. Oktober 2014. Ebenso danken wir Elisabeth Laur, Hamburg, und Ernst Barlach, Ratzeburg, sowie der Ernst-Barlach-Stiftung, Güstrow, für freundliche ergänzende Hinweise.

Provenienz

Galerie Alfred Flechtheim Berlin (innen mit dem handschriftlich in Tinte beschrifteten Etikett; fragmentiert, teils geschwärzt); circa 1930/31 dort erworben, seitdem in Familienbesitz

Literaturhinweise

Alfred H. Barr, Omnibus, German Sculpture, Berlin/Düsseldorf 1932, S. 38-42; Marguerite Devigne, Ernst Barlach, in: Les Beaux-Arts, Brüssel 1935, S. 14; Ernst Barlach, Ein selbsterzähltes Leben, München 1948, Abb. 69; Carl Dietrich Carls, Ernst Barlach. Das plastische, graphische und dichterische Werk, 5. Aufl. Flensburg/Hamburg 1950, S. 58; Friedrich Schult, Ernst Barlach, Potsdam 1950, S. 40; Wolfgang Gielow, Ernst Barlach. Katalog der Plastik, München 1954, Nr. 252b; Paul Fechter, Ernst Barlach, Gütersloh 1957, S. 35; Wolf Stubbe/Friedrich Hewicker, Ernst Barlach Plastik, München 1959, S.68 f.; Friedrich Schult, Ernst Barlach. Das Plastische Werk, Hamburg 1960, Nr. 343; Franz Fühmann (Hrsg.), Ernst Barlach. Das Wirkliche und Wahrhaftige, Wiesbaden 1970, S. 159; Bestandskatalog Skulptur-Plastik-Objekt, Kunsthalle Mannheim, Mannheim 1982, S. 65, Nr. 440; Kunst des 20. Jahrhunderts, Museum am Ostwall, Dortmund 1984, S. 16 f; Meisterwerke des Expressionismus und der Klassischen Moderne, Museum am Ostwall, Dortmund 1985, S. 32 f.; Ulrich Bischoff (Bearb.), Katalog der Bildwerke aus dem Besitz der Kunsthalle zu Kiel, Rendsburg 1986, S. 30 f; Siegfried Gohr (Hrsg.), Museum Ludwig Köln. Gemälde, Skulpturen, Enviroments vom Expressionismus bis zur Gegenwart. Bestandskatalog. Köln 1986, S.19; Georg Syamken (Bearb.), Die Dritte Dimension. Plastiken, Konstruktionen, Objekte. Bestandskatalog der Skulpturenabteilung der Hamburger Kunsthalle, Hamburg 1988, S. 92; Heinz Spielmann (Bearb.), Stiftung und Sammlung Rolf Horn, 2. Auflage, Schleswig 1995, Nr. 120; Anita Beloubek-Hammer, Ernst Barlach, Plastische Meisterwerke, Leipzig 1996, S. 116 f; Helga Thieme, Ernst Barlachs Skulptur "Der singende Mann" in der Ausstellung "Neue deutsche Kunst", Oslo 1932, in: Ausst. Kat. Rostock 1998, S. 310 ff; Peter Thurmann, Zwei Holzbildwerke von Ernst Barlach und der Kulminationspunkt seiner Bildhauerkunst, in: Entdeckungen in der Hamburger Kunsthalle. Essays zu Ehren von Helmut R. Leppien, Uwe Schneede (Hrsg.), Hamburg 1999, S. 60-64; Ulrich Großmann (Hrsg.), Ursula Peters (Bearb.), Kulturgeschichtliche Spaziergänge im Germanischen Nationalmuseum. Die Sammlung zum 20.Jahrhundert, Nürnberg 2000, S. 83; Sabine Fehlemann (Hrsg.), Ursula Frank (Bearb.), Von der Heydt-Museum Wuppertal, Skulpturensammlung. Neuauflage des Bestandskataloges von 1987, Wuppertal 2000, S. 32; Elisabeth Laur, Der Bildhauer als Buchkünstler, in: Kat. Bremen 2001, S. 29; Jürgen Doppelstein, Heike Stockhaus (Bearb.), Ernst Barlach. Mystiker der Moderne. Ausst.Kat. Ernst Barlach Gesellschaft Hamburg, Hauptkirche St. Katharinen, Hamburg 2003, S. 201; Ursel Berger/Klaus Gallwitz/Gottlieb Leinz (Hrsg.), Posthume Güsse. Bilanz und Perspektiven, Berlin/München 2009, S. 32 f., S. 106 f.

Ausstellung

u.a.: Berlin/Düsseldorf November 1930 (Galerie Flechtheim), Bronzen von Ernst Barlach, Ausst. Kat. Nr. 19; Dresden 1931 (Galerie Ernst Arnold), Bronzen von Ernst Barlach; Oslo/Kopenhagen/Köln 1932, Nyere Tysk Kunst, Kat. Nr. 6; Düsseldorf 1951 (Galerie Vömel), Ernst Barlach, Nr. 51; Recklinghausen 1963 (Städtische Kunsthalle Recklinghausen), Kunstwerke aus drei Jahrtausenden gesammelt im Ruhrgebiet, Kat. Nr. 68; Hamburg 1977 (Ernst Barlach Haus), Stiftung Herrmann F. Reemtsma, Plastiken, Handzeichnungen und Autographen, bearb. v. Isa Lohmann-Siems, Gunhild Roggenbuck, Kat. Nr. 53; Bergen/Güstrow 2000 (Bergen Kunstmuseum/Ernst Barlach Stiftung Güstrow), Ernst Barlach. Ein Graphiker und Bildhauer des deutschen Expressionismus, hrsg. v. Helga Thieme, bearb. v. Elisabeth Laur, Nr. 92; München 2001(Galerie Thomas), Ernst Barlach Plastiken, o. S.; Kyoto 2006 (The National Museum of Modern Art/The University Art Museum/Yamanashi Prefectural Museum of Art, Kofu), Ernst Barlach Retrospektive, Nr. 145