Peter Paul Rubens, Werkstatt - Angelika und der Eremit - image-1

Lot 1043 Nα

Peter Paul Rubens, Werkstatt - Angelika und der Eremit

Auktion 1049 - Übersicht Köln
16.05.2015, 11:00 - Gemälde Alter Meister und des 19. Jahrhunderts, Zeichnungen
Schätzpreis: 75.000 € - 100.000 €
Ergebnis: 186.000 € (inkl. Aufgeld)

Peter Paul Rubens, Werkstatt

Angelika und der Eremit

Öl auf Holz. 45,7 x 63 cm.

Dieses Gemälde mit der Darstellung der schlafenden Angelika und dem Einsiedler, eine selten gezeigte Szene aus Ariosts „Orlando Furioso“, stellt die Werkstatt-Replik einer Komposition dar, die Peter Paul Rubens zwischen 1626 und 1628 geschaffen hat. In der Forschung herrscht Einigkeit darüber, dass es sich bei diesem Gemälde um eine in der Werkstatt von Rubens hergestellte Replik handelt. Darüber hinaus ist von Fiona Healey (Ausst.-Kat. Antwerpen 2004, op. cit.) vorgeschlagen worden, es als jenes Werk zu identifizieren, das sich im Jahr 1640, beim Tod von Peter Paul Rubens, in dessen Sammlung befand und von dessen Sohn Nicolaas Rubens bei der Versteigerung der Sammlung erworben wurde.
Dargestellt ist eine Szene aus dem achten Gesang von Ariosts Epos „Orlando Furioso“. Sie handelt von Angelika, der schönen chinesischen Prinzessin am Hof Karls des Großen, und dem Einsiedler, der sich unsterblich und hoffnungslos in sie verliebt (Canto VIII, 29-50). Der alte Einsiedler stellt Angelika nach, folgt ihr und verzaubert ihr Pferd, damit es sie auf eine verlassene, entlegene Insel bringe. Dort, so der plumpe Plan des Einsiedlers, hofft er Angelika für sich zu gewinnen, indem er sich als Retter der Verirrten aufspielt. Auf der Insel kommt es zur Begegnung zwischen beiden, der Einsiedler tröstet Angelika, nähert sich ihr unziemlich, und als sie ihn zurückweist, schläfert er sie mit einem Zaubertrank ein. Der Einsiedler will über die wehrlose Prinzessin herfallen - allein die Gebrechen des Alters machen ihm ein Strich durch die Rechnung, wie Ariost über mehrere Verszeilen genüsslich schildert. Schließlich entschlummert der Einsiedler neben Angelika. Rubens zeigt den Moment, da Angelika durch den Zaubertrank entschlafen ist, der Eremit sich ihr nährt und das weiße Tuch beiseiteschiebt. Ariost beschreibt in seinem Epos, wie der Eremit Angelikas schöne Brust und den Mund küsst („Or le bacia il bel petto, ora la bocca“). Rubens transformiert Ariosts literarische Vorlage in delikate Malerei und kontrastiert den hellen, warmen Ton des weiblichen Aktes mit dem pastos gemalten, dunklen Inkarnat des Einsiedlers; diese malerische Qualität offenbart sich auch in diesem Gemälde.
Es sind neben dem vorliegenden Werk zwei weitere Versionen dieses Themas von Peter Paul Rubens selbst bekannt. Es wird vermutet, dass die Version, die im Jahr 1626 mit weiteren Kunstwerken an George Villiers, Herzog von Buckingham, nach England gesandt wurde, die erste Fassung darstellt. Diese Buckingham-Variante ist wohl identisch mit dem Gemälde, das sich bis 1931 in der Sammlung Charles Emile Janssen, Brüssel, befand und deren Verbleib heute unbekannt ist. Eine eigenhändige Replik von Rubens´ Hand befindet sich heute im Kunsthistorischen Museum in Wien (Inv.-Nr. GG 692); ihre Komposition und Maße zeigen eine große Nähe zu dem vorliegenden Gemälde. In Bezug auf das vorliegende Gemälde schließlich hat Fiona Healey, wie anfangs erwähnt, vorgeschlagen, es als jenes Werk zu identifizieren, das Rubens´ Sohn Nicolaas beim Tod des Künstlers erworben hat. In dessen Sammlung befand sich nachweislich ein Bild mit der Darstellung der schlafenden Angelika und dem Einsiedler.

Zertifikat

Hans Gerhard Evers, Darmstadt, 12.7.1971 (als Peter Paul Rubens).

Provenienz

Vermutlich Nachlass Peter Paul Rubens, Antwerpen 1640. – Vermutlich Nicolaas Rubens, Antwerpen. – Anthony Royre, London, 1927. – Sammlung Sperling, 1928. – O. Wargand, Saarbrücken, 1930. – Galerie Buck, Mannheim, 1930. – Actuarius, Zürich, 1931. – Galerie Heinemann, München, 1938. – Deutsche Privatsammlung. – Adfintrust Holding B.V. - Hessische Privatsammlung. - 895. Lempertz-Auktion, Köln, 17.11.2006, Lot 1134. - Europäischer Privatbesitz.

Literaturhinweise

Jeffrey M. Muller: Rubens: The Artist as Collector. Princeton 1989, S. 117. – Ausst.-Kat. Antwerpen 2004: A House of Art. Rubens as Collector. Hrsg. v. Kristin Lohse Belkin u. Fiona Healey. Schoten 2004, S. 126-128, Nr. 13 (Katalogeintrag Fiona Healey).

Ausstellung

Rubens as Collector, Rubenshuis, Antwerpen 2004, Nr. 13.