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Lot 204 Dα

Alexej von Jawlensky - Stilleben mit Weinflasche

Auktion 1004 - Übersicht Köln
30.11.2012, 00:00 - Moderne Kunst
Schätzpreis: 300.000 € - 350.000 €
Ergebnis: 439.200 € (inkl. Aufgeld)

Alexej von Jawlensky

Stilleben mit Weinflasche
Um 1904

Öl auf festem Malkarton 49,7 x 53 cm - Mittig am Ober- und Unterrand sowie in den linken Ecken mit Reißnagellöchern, die Ränder minimal berieben.

Das "Stilleben mit Weinflasche" strahlt großbürgerliche Eleganz aus, das Weiß von Damast und funkelndem Kristall steigert sich mit den verschiedenen Rottönen von Korb und Bucheinband, von Marmelade und Wein. Zudem ist der Darstellung in ihrer situativen Spontaneität eine gewisse Lässigkeit eigen: das Brot ist angebrochen, der Wein nicht getrunken und die Serviette ist geknüllt zur Seite gelegt. Die dezentrale Anordnung der Bildgegenstände tut ihr Übriges, um den Eindruck zu vermitteln, der Tisch sei kurz zuvor erst verlassen worden - Speisender, Betrachter und Maler nehmen dieselbe Position ein.
Das wie zufällig gedeckte Ensemble an Geschirr und Speisen verweist auf eine private Situation und entspricht nicht unbedingt den zu einer schönen Komposition arrangierten Stilleben mit Äpfeln und verschiedenen Porzellanen, wie sie Jawlensky in den Jahren 1902-1907 häufer malte (vgl. Ausst. Kat. Alexej von Jawlensky, Jena 2012, Kat. Nrn. 1/6, 1/8, 1/10, 1/12). Das Zufällige und Ausschnitthafte unseres Stillebens - festgelegt und betont auch durch den grünen umlaufend-schmalen Rand - wirkt vergleichsweise sehr modern. In seiner starken Aufsicht auf den Tisch steht es im Zusammenhang mit dem "Stilleben mit Kulitsch", bei dem auch eine Stuhllehne die Grenze zwischen bildräumlichen Vertikalen und Horizontalen markiert (vgl. M.Jawlensky/Pieroni-Jawlenky/A.Jawlensky, Alexej von Jawlensky, Catalogue Raisonné of the Oil Paintings, München 1991, Vol. I, Nr. 121, Farbabb. S. 118), und dem "Stilleben mit Äpfeln und blauer Tasse" oder dem "Stilleben Blau-Orange" in ihrer Infragestellung des Raumkontinuums (ebenda, Kat. Nrn. 81, 77). In seiner Faktur des kubisch gesetzten Pinselduktus, mittels dessen eine starke Plastizität der Bildobjekte formuliert ist, gleicht unser Gemälde aber auch dem "Stilleben mit Flasche und Äpfeln" aus demselben Jahr (s. Vergleichsabb.). Hier scheint Jawlenskys Interesse an Cézannes Arbeiten deutlich, die er bei seiner ersten Paris-Reise bereits 1902 gesehen haben mag; fünf Jahre darauf sollte er eigens zu der in Paris gezeigten Cézanne-Ausstellung fahren.
Das "Stilleben mit Weinflasche" wurde von dem Textilfabrikanten und Kunstsammler Adolf Simons im Museum Elberfeld, dem heutigen Von der Heydt-Museum, 1912 erworben. Simons, dessen Gemälde teils als Schenkung später in den Besitz des Museums gingen (vgl. u.a. Jahresbericht des Elberfelder Städtischen Museums für 1919/1920, S. 2), pflegte selbst regen Kontakt zu Künstlern wie etwa Richard Bloos, den er mäzenatisch förderte und Bernhard Hoetger, der eine Porträtbüste von Simons' erster Frau Lis 1910 arbeitete. Diese Büste wurde bei Goltz 1913 in der Ausstellung "Neue Kunst" gezeigt (Ausst. IV. Kollektiv-Ausstellung, Neue Kunst, Hans Goltz, München 1913, mit ganzseitiger Abb.; Dieter Tino Wehner, Bernhard Hoetger, Alfter 1994, Kat. Nrn. 0610-062). Im selben Jahr erwarb Adolf Simons in München bei Thannhauser ein großes Stilleben mit Papiertüte und Früchten von Max Slevogt von 1903 (s. auch Lempertz/International Auctioneers, 4.6.2002, lot 10; heute ausgestellt im Berliner Liebermann-Haus am Pariser Platz). Simons engagierte sich sehr für das kulturelle Leben in seiner Heimatstadt und finanzierte beispielsweise das Lohmann-Haus, einen Ausstellungsort für u.a. aktuelle Kunst.
Auch Alexej von Jawlensky wird Adolf Simons vermutlich bei dessen Besuchen in Wuppertal begegnet sein. Bereits 1910 und 1911 verzeichnen die Jahresberichte des Kunstvereins Barmen Verkäufe von Jawlensky-Gemälden. In denselben Jahren wurde dort die "Neue Künstlervereinigung München" - aus der kurz darauf der "Blaue Reiter" hervorging - gezeigt, obgleich man diese Kunstrichtung als "extrem" empfand und deren künstlerische Qualität in Frage stellte (s. Jahresbericht Kunstverein in Barmen 1911, S. 12). Im Städtischen Museum Elberfeld präsentierte sich ebenfalls die "NKVM" 1910, und 1911 wurden dort 80 Werke von Jawlensky gezeigt (vgl. Ausst. Kat. Der Westdeutsche Impuls 1900-1914. Stadtentwicklung, Sammlungen, Ausstellungen, Düsseldorf/Hagen/Köln/Krefeld/Wuppertal 1984, S. 101 ff.). Anlässe, daß sich Künstler und Sammler getroffen haben, gab es in diesen Jahren genügend, nicht zuletzt fand 1912 die große Sonderbund-Ausstellung in Köln statt, in der auch Jawlensky mit einigen Gemälden vertreten war (s. auch Annegret Hoberg, "Künstler sind nicht von den Ausstellungen abhängig, sondern die Ausstellungen ganz und gar von den Künstlern". Der Blaue Reiter auf der Sonderbundausstellung 1912, in: Ausst. Kat. 1912. Mission Moderne, die Jahrhundertschau des Sonderbundes, Köln 2012, S. 244 ff.).
In Adolfs Simons Speisezimmer hing Jawlenskys "Stilleben mit Weinflasche" appetitanregend im Verein mit anderen Stilleben u.a. von John Duncan Fergusson (Lempertz/International Auctioneers 4.6.2002, lot 11) und Max Slevogt (s. Vergleichsabb.)

Werkverzeichnis

Nicht bei M. Jawlensky/Jawlensky-Pieroni/A. Jawlen

Zertifikat

Mit einer Expertise des Alexej von Jawlensky-Archivs, Locarno, vom 9. Oktober 2012. Das Gemälde wird in das Werkverzeichnis aufgenommen.

Provenienz

Vom Vorbesitzer beim Museums-Verein des Städtischen Museums Elberfeld 1912 erworben, Sammlung Adolf Simons, Wuppertal (Kaufquittung in Kopie beiliegend); seitdem Familienbesitz; Privatbesitz