Ernst Barlach - Der Flötenbläser - image-1

Lot 224 Dα

Ernst Barlach - Der Flötenbläser

Auktion 1051 - Übersicht Köln
29.05.2015, 18:00 - Moderne Kunst
Schätzpreis: 50.000 € - 60.000 €

Ernst Barlach

Der Flötenbläser
1936

Bronze Höhe 58,6 cm Rückseitig unten signiert 'E. Barlach' und mit dem Gießerstempel "H. NOACK BERLIN" versehen. Posthumer Guss. Eines von 29 Exemplaren in Bronze, darüber hinaus existieren 3 Zinkgüsse. - Mit schöner goldbrauner Patina.

Von dem Motiv entstanden 1936 zwei Fassungen in Holz sowie das Werkmodell in Gips (vgl. Laur 595, 597 und 598).
Die Musik war eine wichtige Inspirationsquelle für Ernst Barlach. „Der Flötenbläser“ ist Teil seiner künstlerischen Auseinandersetzung mit diesem Thema und eine seiner letzten größeren plastischen Arbeiten insgesamt.
Der plastischen Ausführung liegt eine Kohlezeichnung zugrunde, die der Künstler bereits 1919/20 schuf (Schult Zeichnungen 1366). Eine plastische Ausführung in Holz wurde laut Schult schon 1921 im Auftrag des Breslauer Kunstsammlers Leo Lewin erwogen, jedoch nicht umgesetzt (vgl. Schult, Plastiken 468). Das Wiederaufgreifen dieses heiter-bukolischen Themas im Jahr 1936 kann als Gegenreaktion des Künstlers auf seine belastende Lebenssituation interpretiert werden, in der er sich seit 1933 befand. Durch nationalsozialistische Repressionen wurde er in seinen letzten Lebensjahren künstlerisch und privat stark eingeschränkt.
Die sitzende Figur des Flötenbläsers neigt sich zur linken Seite, wodurch der Körper einen ungewöhnlich verlagerten Schwerpunkt aufweist. Die Plastik erhält damit die Form eines spitzwinklig nach oben aufragenden Dreiecks. Der Oberkörper des Dargestellten wird durch den eng um die Schultern gelegten Umhang in eine einheitliche, geschlossene Form gebracht, wie sie oft in Barlachs plastischem Werk zu finden ist. Sein Instrument, eine Schalmei, hält der Musiker eng vor der Brust, das Gesicht bleibt zum Teil unter dem tief nach unten gezogenen Hut verborgen. Die unterhalb des Umhangs sichtbaren Unterschenkel lockern diese blockhafte Haltung jedoch auf: die weit auseinanderstehenden, schräg versetzten Füße und die zusammenfallenden Knie verleihen der Körperhaltung insgesamt eine spontane Lebendigkeit. Das rechte Bein ist nach außen gestellt und bildet damit eine Verlängerung der rechten diagonal verlaufenden Körperseite, das linke Bein ist nach innen angewinkelt und hält den Körper mit dem in den Boden gestemmten Fuß in Balance. Dieses Kompositionsmittel verleiht dem Flötenspieler eine spielerische Komponente und mildert den Eindruck der „Erdenschwere“, der Barlachs Plastiken eigen ist.

Werkverzeichnis

Laur 596 2); Schult 469

Provenienz

Dr. Osthoff, Bielefeld; Galerie Wilhelm Grosshennig, Düsseldorf, 1963 dort erworben; seitdem Privatsammlung Nordrhein-Westfalen

Literaturhinweise

Ernst Barlach. Die Briefe II, 1925-1938, hg. v. Friedrich Droß, München 1969, Nr. 1327; Carl Dietrich Carls, Ernst Barlach. Das plastische, graphische und dichterische Werk, 5. Aufl., Flensburg/Hamburg 1950, S. 129; Ernst Barlach. Werke und Werkentwürfe aus fünf Jahrzehnten, bearb. v. Elmar Jansen, Bd. 3, Berlin 1981, Nr. 88; Kunsthalle Mannheim, Bestandkatalog Skulptur - Plastik - Objekt, Mannheim 1982, S. 71, S. 440; Skulpturen. Bestandskatalog Wilhelm Lehmbruck Museum Duisburg, hg. v. Christoph Brockhaus u. Gottlieb Leinz, Duisburg 1992, S. 170; Anita Beloubek-Hammer, Ernst Barlach. Plastische Meisterwerke, Leipzig 1996, S. 150f.; Ernst Barlach und die Elemente, Ausst. Kat. Ernst Barlach Stiftung, Güstrow 2000, S. 70: Volker Probst, Wolke Däubler über Güstrow, in: Ernst Barlach und die Elemente, Ausst. Kat. Ernst Barlach Stiftung, Güstrow 2000, S. 56; Elisabeth Laur, Der Bildhauer als Buchkünstler, in: Ernst Barlach. Kaviar statt Brot. Kurt Reutti, Sammler und Stifter, Ausst. Kat. Kunsthalle Bremen, Bremen 2001, S. 29

Ausstellung

u.a.: Rostock 1945 (Städtisches Museum), Ernst Barlach; Schwerin 1947 (Landesmuseum), Ernst Barlach, Kat. Nr. 83; Stockholm 1949 (Riksförbundet för bildande konst), Käthe Kollwitz och Ernst Barlach, Kat. Nr. 76 ("Flöjtblasare") mit Abb. Tafel 8; Berlin 1951/52 (Deutsche Akademie der Künste), Ernst Barlach, Kat. Nr. 75 mit Abb. S. 161; Antwerpen 1957 (Middelheimpark), 4. Biennale voor Beeldhouwkunst, Kat. Nr. 7 mit Abb. Tafel 1; Bremen 1959 (Kunsthalle), Ernst Barlach, Kat. Nr. 503; München 2001 (Galerie Thomas), Ernst Barlach. Plastiken; Hamburg 2003 (Ernst Barlach Gesellschaft, Hauptkirche St. Katharinen Hamburg), Ernst Barlach. Mystiker der Moderne, S. 209