Karin Kneffel - Ohne Titel (Trauben) - image-1

Lot 562 D

Karin Kneffel - Ohne Titel (Trauben)

Auktion 1052 - Übersicht Köln
30.05.2015, 11:30 - Zeitgenössische Kunst
Schätzpreis: 180.000 € - 200.000 €
Ergebnis: 322.400 € (inkl. Aufgeld)

Karin Kneffel

Ohne Titel (Trauben)
2002

2-teilige Arbeit: Öl auf Leinwand. Je 100 x 100 cm. Jeweils rückseitig auf der Leinwand signiert und datiert 'Karin Kneffel 2002'.

Klassische, über die Jahrhunderte hinweg erprobte Bildthemen bilden den Ausgangspunkt für Karin Kneffels Malerei. Tiermalerei, Interieurs und Früchtestillleben sind Genres, die sie aufgreift, um deren überkommene Regeln auszuweiten und etwas gleichermaßen Althergebracht-Vertrautes wie Irritierend-Fremdartiges zu erschaffen.
Das Früchtestillleben findet um die Mitte der 1990er Jahre Eingang in ihr Werk. Kirschen, Pfirsiche, Pflaumen und vor allem Weintrauben sind Motive, die sie in vielfachen Variationen, aber stets in extremer Nahsicht und makelloser, hyperrealistischer Perfektion wiedergibt. Aus ihren glatten Oberflächen sind jegliche Spuren des Schaffensprozesses getilgt - anders als noch bei den zuvor entstandenen Bildnissen einheimischer Nutztierarten, bei denen die Künstlerin pastose Pinselstrukturen einsetzte, um Fell, Federn und Borsten naturalistisch darzustellen.
Die vor einem nicht definierten grauen Hintergrund hängenden Weintrauben sind allseitig angeschnitten, als seien sie Versatzstücke eines großen Bildzusammenhangs. So eng und überdimensional erscheint der Bildausschnitt, dass sich der Betrachter gleichsam inmitten der Früchte wiederfindet. Die Trauben scheinen sich in leicht gestaffelten Bildebenen zu befinden: leicht in den Hintergrund gerückte Früchte in irisierenden, perlmuttartigen Nuancen, ganz im Vordergrund dagegen Trauben von perfekter Plastizität und Stofflichkeit, deren halb durchscheinende, glatte Haut die Saftigkeit des darunterliegenden Fruchtfleisches verheißt. Jede einzelne Traube auf diesen beiden Leinwänden ist perfekt gerundet, schwebt fast schwerelos im Raum und wird von keinerlei Fleck oder Trübung beeinträchtigt. Und eben jene übernatürliche Schönheit, die an Werbemotive erinnert, ist es, die in Kneffels Früchtebildern stets eine unsichtbare, unüberwindliche Barriere zwischen Werk und Betrachter bestehen lässt. „Verführung und Distanz“ lautete der treffende Titel einer Kneffel-Ausstellung, die 2006 in Ulm, Bad Homburg und Goslar stattfand. Er kann programmatisch für ihre Stillleben stehen. Denn so schwer es auch fällt, den Blick von ihrer monumentalen Präsenz und vollendeten Stofflichkeit zu wenden, sind sie doch nicht mit der Natur zu verwechseln. „Die artifizielle und doch sinnliche Glätte der Bilder verführt und distanziert zugleich; sie ist darin den Hochglanzfotos der Werbung verwandt. Die Konzentration auf die unversehrte und damit in sich geschlossene Form bedeutet auch Abstraktion“, schreibt Brigitte Reinhardt dazu (in: Karin Kneffel, Ausst.Kat. Galerie Ludorff, Düsseldorf 2010, S.2).
Die Früchtebilder Karin Kneffels unterscheiden sich damit wesentlich von den Frucht- und Speisestillleben des Barock, welche in ihrer augentäuschenden Darstellung erlesener Luxusgüter gewissermaßen einen Wettstreit mit der Natur eingingen. Sie sollten dem Betrachter die Reize irdischer Kostbarkeiten in so verführerischer Manier vor Augen führen, dass er glaubte, sie mit allen Sinnen erfassen zu können. Zugleich riefen sie durch kleine Makel und Spuren des Welkens und Verwesens stets die Vergänglichkeit und Kurzlebigkeit dieser Pracht in Erinnerung. Die von Karin Kneffel geschaffenen Früchte hingegen wollen keinen Trompe-l'oeil-Effekt erzielen oder etwas anderes als den visuellen Sinn des Betrachters ansprechen. Auch wohnt den Früchtebildern Kneffels kein mahnendes Vanitasmotiv inne. Sie geben nicht das pralle Leben wieder, sie erzählen keine Geschichte. Als kühle Sinnbilder repräsentieren sie ein unerreichbares und damit fast bedrohliches Ideal. Ganz auf ihren reinen Abbildcharakter verdichtet, konservieren sie innerhalb ihres Leinwandquadrats ihre gleichsam eingefrorene Perfektion.

Provenienz

Christine König Galerie, Wien (mit rückseitigem Aufkleber); Privatsammlung, Nordrhein-Westfalen

Ausstellung

Wien 2002 (Christine König Galerie), Früchte und Ornamente, Neue Malerei