Heinrich Campendonk - Zwei Radfahrer in Landschaft - image-1

Lot 312 D

Heinrich Campendonk - Zwei Radfahrer in Landschaft

Auktion 1070 - Übersicht Köln
03.06.2016, 18:00 - Moderne Kunst
Schätzpreis: 80.000 € - 100.000 €
Ergebnis: 93.000 € (inkl. Aufgeld)

Heinrich Campendonk

Zwei Radfahrer in Landschaft
Um 1914

Tusche, Aquarell und Deckfarben über Bleistiftvorzeichnung auf dickem chamoisfarbenen Papier 40,5 x 43 cm Unter Glas gerahmt. Unbezeichnet. - Rückseitig unten rechts mit einem handschriftlichen Nachlass-Vermerk von Edith van Leckwyck-Campendonk, der Frau des Künstlers: "1914/ Nachlass Heinrich Campendonk/best.: Edith Campendonk". - In originaler, farbfrischer Erhaltung. Der Bogen unregelmässig gerissen und geschnitten; insgesamt geknittert, in der oberen Bildhälfte mit horizontaler Faltspur, die linke untere Blattecke alt ausgerissen. Kleiner Randausriss unten rechts.

Campendonk ließ sich im Herbst 1911 in unmittelbarer Nähe zu Franz Marc in Sindelsdorf nieder. Vermittelt durch die freundschaftlichen Kontakte mit Helmuth Macke in Krefeld und August Macke am Tegernsee waren Marc und Kandinsky auf seine Arbeiten aufmerksam geworden und hatten ihn eingeladen, nach Oberbayern ins Allgäu zu kommen. Die menschlichen und künstlerischen Bezüge dieser Jahre des "Blauen Reiter" sind eng und mannigfaltig, sie zählen nach Campendonks eigenen Worten zu seinen glücklichsten Jahren. Als einer der Jüngsten im Kreis um Kandinsky, Werefkin, Marc, Macke und Klee erfährt er starke Impulse für seine eigene schöpferische Arbeit.
In der vorliegenden Gouache von 1913/1914, einer der bedeutendsten Werkperioden des Künstlers, geht das zentrale graphische Motiv der Radler mit der umgebenden Landschaft eine in Farbe und Form dynamisierte Verbindung ein. Im Schnittpunkt der schwungvollen abstrakten Komposition mit sich kreuzenden Diagonalen verdoppeln sich die Umrisse der beiden gegeneinander versetzten Fahrer, so daß ein futuristisch anmutender Bewegungsakzent entsteht. Die heiteren, leuchtenden Farben stehen atmosphärisch und symbolhaft für Licht, Luft und Sonne. Ein Gefühl von Leichtigkeit und Schwerelosigkiet stellt sich ein.
Es ist bekannt, daß Campendonks "Blaue Reiter"-Kollegen Gabriele Münter und Kandinsky zahlreiche gemeinsame Radtouren machten, die recht sportlich waren. Von Kandinsky gibt es ein schönes Foto aus der Frühzeit in Kochel von 1902, in dem er sich lachend mit Rad präsentiert, und von Münter ist die Aussage überliefert, sie wäre radelnd "am liebsten [...] immer auf Reisen". Sie ließ sich ihr Rad gerne nachschicken "weil man ohne Rad doch nur ein halber Mensch ist." (zit. nach Gisela Kleine, Gabriele Münter und Wassily Kandinsky, Biographie eines Paares, Frankfurt 1994, S. 53, 234; vgl. auch u.a. S. 51 ff., 95). Sicher ist in Campendonks Aquarell im weitesten Sinn nicht nur die Freude an der Bewegung an sich, sondern vor allem die Freiheit, die man mit ihr gewinnt, ausgedrückt - ein ideales Sujet der neuen künstlerischen Gestaltung.

Werkverzeichnis

Firmenich 482 AD

Zertifikat

Wir danken Gisela Geiger, Penzberg, für ergänzende Hinweise.

Provenienz

Privatsammlung Süddeutschland (seit 1961); Privatsammlung Nordrhein-Westfalen

Literaturhinweise

Roman Norbert Ketterer, 36. Auktion Stuttgart 3./4. Mai 1961, Los 44 mit Abb. S. 133 ("Radfahrer in Landschaft")