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Lot 1469 Dα

Isaack van Ruisdael - Ansicht von Egmond

Auktion 1057 - Übersicht Köln
14.11.2015, 11:00 - Gemälde und Zeichnungen Alter Meister und des 19. Jahrhunderts
Schätzpreis: 65.000 € - 75.000 €
Ergebnis: 99.200 € (inkl. Aufgeld)

Isaack van Ruisdael

Ansicht von Egmond

Öl auf Holz. 65 x 84 cm.
Monogrammiert unten Mitte: IVR.

In einer sanften Biegung führt ein Weg durch die Dünen, vorbei an einem kleinen Hügel, auf dem ein Signalmast in den Himmel emporragt. Zur Linken sieht man die Stadt mit einem Kirchturm in ihrer Mitte, zur Rechten die Küste. Am Strand haben Fischer ihren Fang ausgebreitet. Diese Ansicht von Egmond, mit „IVR“ monogrammiert, kann durch einen Vergleich mit einem Gemälde in einer niederländischen Privatsammlung, die das gleiche Monogramm trägt, Isaack van Ruisdael zugeschrieben werden.

Vergleicht man das vorliegende Gemälde mit jenem in der niederländischen Privatsammlung (RKD, Nr. 201500088; vgl. Slive 2001, op. cit. Nr. dub10), lassen sich Parallelen in der Gesamtkomposition wie in den Details erkennen. Beide Landschaften zeigen die gleiche Ansicht von Egmond, von Nordosten gesehen, die Anordnung der Landschaftselemente – Hügel, Küste, Stadt – ähnelt einander. Der Bildausschnitt im vorliegenden Gemälde ist kleiner, wodurch Hügel und Häusergruppe näher an den Betrachter gerückt sind. Den sichtbarsten Unterschied stellt der Signalmast im Bildzentrum dar, der im Vergleichsbild fehlt. Derartige Signalmasten dienten den Schiffern in einer Zeit, als es noch keine Leuchttürme gab, als Orientierungspunkte. Einen solchen Signalmast an der gleichen Stelle in Egmond stellt bereits Claes Jansz. Visscher in einer Ansicht der Stadt aus dem Jahr 1615 dar (vgl. Abb. 1). Isaack van Ruisdael lässt ihn windschief in den Himmel ragen, bloß durch zusammengezimmerte Holzplanken befestigt. Trotz dieser Unterschiede erkennt man in den Details beider Gemälde die Handschrift desselben Künstlers, in der schlaglichtartigen Beleuchtung des Hügels etwa oder der Gestaltung des Heuhafens, der Staffagefiguren (siehe etwa die Figur, die einen Korb trägt) und des Grases auf dem Hügel.

Diese gestalterische Nähe des vorliegenden Gemäldes zu jenem in der niederländischen Privatsammlung ist aus zwei Gründen bemerkenswert: Es handelt sich bei diesem um eines der höchst seltenen Werke Isaack van Ruisdaels, das alle Forscher einhellig dem Künstler zuschreiben. Es handelt sich zudem um ein Werk, dem eine entscheidende Bedeutung zugekommen ist bei der Formierung des Œuvres von Isaack van Ruisdael und der Definition seiner Künstlerpersönlichkeit.
Isaack van Ruisdael, Vater des großen Landschaftsmalers Jacob van Ruisdaels und Bruder des ebenfalls bedeutenden Salomon van Ruysdael, war das Opfer eines großen historischen Irrtums. Der Kunsthistoriograph Arnold Houbraken bezeichnete ihn im 18. Jahrhundert als bloßen Rahmenmacher, dieser Degradierung Isaacks zum Handwerker folgten noch im 20. Jahrhundert namhafte Forscher wie Abraham Bredius und Jakob Rosenberg, später auch Wolfgang Stechow und Seymour Slive – Isaack van Ruisdael wurde ein künstlerisches Schaffen abgesprochen, die strittigen Werke Jacob van Ruisdael zugeschrieben. Gleichwohl gab es immer schon Zweifel an dieser kunsthistorischen Zurücksetzung; Werke, die dem jungen Jacob zugeschrieben wurden, wollten stilistisch nicht zu dessen künstlerischer Entwicklung passen, manche Signaturen zeigten Unstimmigkeiten. Archivfunde belegten zudem, dass Isaack van Ruisdael durchaus als Künstler tätig war. Kurt Erich Simon (Simon 1935, op. cit., passim) unternahm einen ersten Versuch, ein Œuvre Isaacks zu definieren, knapp 50 Jahre später griffen Christopher Brown (Brown 1982, op. cit., passim) und Jeroen Giltaij (Giltaij 1992, op. cit., passim) das Problem wieder auf. Spätestens mit diesen beiden Beiträgen wurde Isaack van Ruisdael als Künstler rehabilitiert.

Das Gemälde aus der niederländischen Sammlung diente den Isaack-Befürwortern von Beginn an als zentrales Argument für ihre These und stellt, wie oben erwähnt, heute noch eines der wenigen allgemein anerkannten Werke Isaack van Ruisdaels dar. Das vorliegende Gemälde aus einer westdeutschen Privatsammlung, das mit diesem Werk im Hinblick auf Signatur, Gesamtkomposition und einer Reihe von gestalterischen Details vergleichbar ist, kann entsprechend Isaack van Ruisdael zugeschrieben werden und stellt eine bemerkenswerte Ergänzung seines Œuvres dar.

Provenienz

Westdeutscher Privatbesitz.

Literaturhinweise

Zur Forschung über Isaack van Ruisdael sowie zum Vergleichsbeispiel in der niederländischen Privatsammlung: Kurt Erich Simon: Isaack van Ruisdael. In: The Burlington Magazine for Connoisseurs, LXVII (1935), S. 7-23. - Christopher Brown: Jacob van Ruisdael at the Fogg. In: The Burlington Magazine, CXXIV (1982), S. 190-194. - Jeroen Giltaij: The Problem of Isaack van Ruisdael (1599 – 1677). In: The Burlington Magazine, CXXXIV (1992), S. 180-182. - Seymour Slive: Jacob van Ruisdael. A Complete Catalogue of His Paintings, Drawings & Etchings. New Haven 2001, S. 615-617, Nr. dub10.