Aelbert Jansz. van der Schoor - Pastorale Szene - image-1

Lot 1481 Nα

Aelbert Jansz. van der Schoor - Pastorale Szene

Auktion 1057 - Übersicht Köln
14.11.2015, 11:00 - Gemälde und Zeichnungen Alter Meister und des 19. Jahrhunderts
Schätzpreis: 50.000 € - 60.000 €

Aelbert Jansz. van der Schoor

Pastorale Szene

Öl auf Leinwand (doubliert). 83 x 102 cm.

Diese anmutige Darstellung eines Hirtenpaares stellt ein Werk des Utrechter Künstlers Aelbert Jansz. van der Schoor dar. Das Gemälde ist 1975 und noch einmal 2005 als ein Werk Abraham Bloemaerts auf dem Kunstmarkt angeboten worden. Peter van den Brink hat es jedoch bereits 1994 dem Utrechter Künstler Aelbert van der Schoor zugeschrieben und in dessen Œuvre eingeordnet. Innerhalb dieses Œuvres kann dieses Gemälde als ein Hauptwerk des Künstlers bezeichnet werden.
Ein Hirtenpaar hat sich an einem Baum niedergelassen, um gemeinsam zu musizieren. Der Hirte hält in der Linken eine Flöte, er hat vor sich ein Buch mit Sonetten aufgeschlagen und seinen rechten Arm um die Schulter der Hirtin gelegt. Die schmiegt sich an ihn und blickt ihn an. Das Paar hat offenbar das gemeinsame Musizieren unterbrochen, die Hirtin zeigt mit ihren Fingern noch auf die Verszeile, die sie gerade gesungen hat, der Hirte hat die Flöte abgesetzt und erwidert ihren Blick. Das Bild wird fast gänzlich ausgefüllt von den beiden Figuren, zwei Schafe an ihrer Seite grasen friedvoll, ohne die Zweisamkeit zu stören. Die anmutige Heiterkeit der Szenerie spiegelt sich im hellen Bildlicht, in der harmonischen Figuren- und Farbkomposition wieder, vor allem in den hellen Farben der Kleidung, dem Blau, Gelb, Rot und Grün.

Dieses Werk ist bereits von McNeill Kettering in ihren grundlegenden Forschungen zu holländischen Pastoralen als ein Beispiel für das ganzfigurige Schäferstück Utrechter Provenienz publiziert worden (McNeill Kettering 1974, S. 501; McNeill Kettering 1977, S. 30). Die fälschliche Zuschreibung an Abraham Bloemaert in der Vergangenheit erklärt sich auch dadurch, dass Bloemaerts Werk von großer Bedeutung für die Genese dieses Bildtypus in Utrecht war (vgl. Abb. 2; Niedersächsisches Landesmuseum, Hannover). Die Utrechter Malerschule wiederum war maßgeblich für die Popularisierung pastoraler Szenen. Ihren eigentlichen Ursprung hatten diese im Venedig des 16. Jahrhunderts, wo im Kreis um Giorgione und Tizian das sogenannten Concert Champêtre entstand.
Die Forschungen von Peter van den Brink und Marten Jan Bok haben die künstlerische Persönlichkeit und das Œuvre Aelbert van der Schoors konturiert, wodurch auch das vorliegende Gemälde in dieses Œuvre eingeordnet werden konnte. Es darf innerhalb des Schaffens dieses Künstlers als Hauptwerk bezeichnet werden, das sich stilistisch mit zum Teil signierten Gemälden van der Schoors in Bezug setzen lässt, darunter einem Emmausmahl im Musée Municipal in Saint Amand-les-Eaux (zur Zuschreibung vgl. van den Brink 1994, passim). Es hat sich zudem eine Vorstudie zu diesem Gemälde erhalten, auf der die Köpfe sowie die Füße des Hirten skizziert sind (vgl. Abb. 1; Sammlung Noortman, Maastricht; vgl. van den Brink 1994, S. 47, Abb. 17).
Aelbert Jansz. van der Schoor wurde vor 1603 in Utrecht geboren, wo er auch tätig war. Sein frühestes datiertes Werk stammt von 1642, das letzte von 1662, sein Schaffen umfasst Historien, Portraits, Genreszenen und Stillleben (Vanitas- ebenso wie Fischstilleben). Die Historien wie das oben genannte Emmausmahl, die halbfigurigen Genreszenen mit der Darstellung Fröhlicher Gesellschaften, aber auch die vorliegende Pastorale Szene zeigen den Einfluss der Utrechter Caravaggisten.

Die vordergründig friedvolle Hirtenidylle dieses Gemälde hat im Übrigen explizit erotische Konnotationen, darin folgt es seinen holländischen und venezianischen Vorläufern. Der Finger der Hirtin weist nicht nur auf die Noten, sondern auch auf das Gemächt des Hirten, und die Geste ihrer Linken, die den Hirtenstab fest ergreift, ist ebenfalls recht zweideutig – das scheinbar grundlose Aufwallen ihres Gewandes dürfte entsprechend als Zeichen einer gewissen Erregung gedeutet werden.


BILDUNTERSCHRIFT FÜR VERGLEICHSABBILDUNGEN
Abraham Bloemaert, Schäferszene, 1627, Niedersächsisches Landesmuseum, Hannover © Landesmuseum Hannover - ARTOTHEK

Zertifikat

Walther Bernt, München, 13.3.1975 (als Abraham Bloemaert).

Provenienz

David David Inc., Philadelphia/New York, 1972 (als Govert Flinck). – Auktion D. M. Klinger, Nürnberg, 29.11.1975, Lot 901 (als Abraham Bloemaert). – Deutsche Privatsammlung. – Auktion Hampel, München, 23.9.2005, Lot 188 (als Abraham Bloemaert). – Europäische Privatsammlung.

Literaturhinweise

Alison McNeil Kettering: The Batavian Arcadia. Pastoral Themes in Seventeenth Century Dutch Art. Diss. Berkley. Berkley 1974, S. 501, Abb. 209. - Alison McNeil Kettering: Rembrandt´s „Flute Player“: A Unique Treatment of Pastoral. In: Simiolus, IX (1977), S. 19-44, S. 29f, Abb. 15. - Peter van den Brink: Aelbert Jansz. van der Schoor, een Utrechts schilder en zijn werk. In: Oud Holland, CVIII (1994), S. 37-57, S. 37f, Abb. 1; S. 56, Nr. 23. - Ausst.-Kat. Utrecht 1993: Het gedroomde land. Pastorale schilderkunst in de Gouden Eeuw. Hrsg. v. Peter van den Brink. Utrecht 1993, S. 114, Anm. 12. - Marcel Roethlisberger u. Marten Jan Bok: Abraham Bloemaert and His Sons. Paintings and Prints. Doornspijk 1993, Bd. 1, S. 292.