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Lot 432 Dα

Ernst Ludwig Kirchner - Fränzi vor Skulptur

Auktion 1059 - Übersicht Köln
27.11.2015, 18:00 - Moderne Kunst
Schätzpreis: 15.000 € - 20.000 €
Ergebnis: 38.440 € (inkl. Aufgeld)

Ernst Ludwig Kirchner

Fränzi vor Skulptur
1910

Tuschfederzeichnung auf chamoisfarbenem Papier 21 x 16,5 cm Unter Glas gerahmt. Unbezeichnet. Rückseitig mit dem ovalförmigen blauen Stempel "NACHLASS E. L. KIRCHNER" (nicht bei Lugt), darin von Roman Norbert Ketterer mit Kugelschreiber monogrammiert "R N K". - Mit Altersmängeln wie schwachen Knicken und bräunlichen Feuchtigkeitsspuren am Unterrand.

Kein anderes Modell nimmt eine so zentrale Stellung in Kirchners Oeuvre ein wie das junge Mädchen Fränzi, das mit seiner knabenhaften Gestalt, dem dreieckig geschnittenen Gesicht und den langen dunklen Haaren zu einer Art Ikone avancierte. Vom Sommer des Jahres 1909 bis 1911 begegnet uns Fränzi auf einer Vielzahl von Gemälden, Aquarellen, Zeichnungen und Druckgraphiken Kirchners, Heckels und Pechsteins. Lina Franziska Fehrmann (1900-1950), genannt „Fränzi“, war noch keine neun Jahre alt, als sie Modell der Künstlergruppe Brücke wurde. Wohl faszinierte es Kirchner, dass Fränzi zum einen kindlich unbefangen und ohne Scheu im Atelier herumtobte anstatt klassisch zu posieren, zum anderen war es ihr knabenhafter Körper, der dem damals eher flächen- und konturbetonten Stil des Künstlers entsprach. Ihre noch kantige Kontur ließ sich radikaler, vereinfachter, auf der Fläche abbilden, als ein reifer weiblicher Körper. Kirchner befreite sich sowohl motivisch wie auch stilistisch bewusst und durchaus provokant von akademischen Regeln, um stattdessen ein intensiveres Lebensgefühl auszudrücken.
Von großer Unmittelbarkeit zeugt die in wenigen Strichen hingeschriebene Tuschzeichnung „Fränzi vor Skulptur“, die in das Jahr 1910 datiert ist. Immer wieder tauchen von Kirchner geschaffene Holzskulpturen, die in seinem Atelier für ein exotisches Ambiente sorgten, auf seinen Zeichnungen und Bildern auf. Bei der vorliegenden Zeichnung könnte es sich um Kirchners farbig gefasste Holplastik „Hockende“ von 1910 handeln. Mehr jedoch erinnert die Figur wegen der schräg gestellten schlitzförmigen Augen und des Buckels an eine Katze, wie wir sie auf dem Bild „Mädchen mit Katze, Fränzi“ von 1910 wiederfinden (vgl. Gordon 124).

Provenienz

Nachlass Ernst Ludwig Kirchner, Roman Norbert Ketterer, Campione; Galerie Utermann, Dortmund (Etikett auf dem Rahmenkarton); Rheinische Privatsammlung