Emil Nolde
Blumenstilleben mit langen kahlen Zweigen
Um 1920/1925
Aquarell auf sehr dünnem Japanpapier 46,9 x 35,8 cm Unter Glas gerahmt. Unten rechts mit Tuschfeder signiert 'Nolde'. - Farbfrisch erhalten, professionell vom ehemaligen Unterkarton gelöst.
„Es war auf Alsen mitten im Sommer. Die Farben der Blumen zogen mich unwiderstehlich an, und fast plötzlich war ich beim Malen. Es entstanden meine ersten kleinen Gartenbilder. Die blühenden Farben der Blumen und die Reinheit dieser Farben, ich liebte sie. Ich liebte die Blumen in ihrem Schicksal: emporsprießend, blühend, leuchtend glühend, sich neigend, verwelkend, verworfen in der Grube endend.“ (Emil Nolde, Jahr der Kämpfe, Flensburg 1958, S. 95)
1906 entstanden auf Alsen Noldes erste Blumenbilder. Es sollte noch zehn weitere Jahre dauern, bis er zur Form jener Blumenaquarelle fand, die sein Werk seitdem in fast ununterbrochener Folge prägen sollte. Dahlien, Glockenblumen, Iris, Lilien, Mohn und Sonnenblumen - wie schon auf Alsen suchte Nolde die Vorlagen für seine Kunst auch im weiteren Verlauf bevorzugt in der direkten Umgebung seiner Wohnhäuser und Ateliers auf Utenwarf und in Seebüll. Exotischeren Pflanzen wie Orchideen oder blühende Kakteen begegnete er im Botanischen Garten von Berlin, wo er während der Wintermonate regelmäßig lebte.
Nolde fand im Blumenbild mehr Freiheit als in irgendeiner anderen Bildform. In ihm konnte er seine Ideen von Musikalität und der absoluten Wirkung der Farbe zum Ausdruck bringen, dabei sein Werk immer weiter in die Abstraktion führen ohne die Bindung zur Natur zu verlieren. So facettenreich Nolde seine Blumenaquarelle anlegte, verstand er sie nie als das Resultat botanischer Studien, sondern als hochindividualisierte Darstellungen, denen er seinen Stimmungen entsprechend porträthafte Eigenschaften einzuschreiben vermochte. Es ist die reduzierte, klare Farbigkeit, welche der vorliegenden Arbeit ihren ausnehmend subtilen Charakter verleiht. Unterstützt durch die luftige und mit spontaner Leichtigkeit arrangierte Komposition unterscheidet sich das Werk damit spürbar von vielen Blumenaquarellen in Noldes Oeuvre und verweist in seiner formelhaften Bildsprache auf jene spezifische Ästhetik ostasiatischer Tuschezeichnung und Kalligraphie, die Nolde im Kontext seiner vielbeachteten Südseereise 1913/14 kennengelernt hatte.
Zertifikat
Mit einer Foto-Expertise von Manfred Reuther, Stiftung Seebüll Ada und Emil Nolde, vom 16. Mai 2012. Die Arbeit ist im Archiv der Nolde Stiftung registriert.
Provenienz
Privatbesitz