Lot 604 D

„Die absolute Malerei zieht mit sich heraus in einer Symbolform - das mögliche Reale. Nicht erst, wenn ich denke, sondern wenn ich mich wüßte, bin ich. Mich wissen ist aber abhängig von der Möglichkeit, die Welt für mich zu realisieren. Das geschieht durch Angleichen in Mythen. Das haben die alten Völker gemacht, das machen wir auch - aber wir wissen es nicht, noch nicht. - Mythen sind Zeichen eines Weltenentwurfs. Wir haben ihn nicht. Anders als in früheren Zeiten ist die moderne, absolute Kunst nicht nur in Begleitung, sondern sie erschafft mit.“ (E.W. Nay, um 1963, zit. nach: E.W. Nay, Lesebuch. Selbstzeugnisse und Schriften 1931-1968, bearbeitet von Magdalene Claesges, Köln 2002, S. 249).

Die sogenannten „Augenbilder“ der Jahre 1963/64, zu denen auch unser Werk gehört, schließen an Nays ikonische „Scheibenbilder“ an, sind in ihren jeweiligen Erscheinungsformen jedoch deutlich variabler. So lässt sich das stilisierte Augenmotiv, eine Scheibe mit darüber gesetzter Spindel- bzw. Punktform, das dieser Werkgruppe ihren Namen gab, hier in abgewandelter Form erkennen: Die Leinwand, aufgeteilt in ein rotes, ein dunkelblaues sowie ein grünbraunes Segment, wird von organisch anmutenden Kreis- und Schleifen dominiert. Ähnlich dem in Kolorit und Bildaufbau vergleichbaren, nur kurz zuvor entstandenen Gemälde „Im Dunkel - Feuer“ (Scheibler 1059), verzichtet Nay auf die graphische Komponente anderer Werke dieser Zeit und gelangt aus dem tiefen Farbraum heraus zu einer Malerei von archaisch-existenzialistischer Unmittelbarkeit.