August Sander - Der Maler Heinrich Hoerle - image-1

Lot 23 D

August Sander - Der Maler Heinrich Hoerle

Auktion 1089 - Übersicht Köln
31.05.2017, 15:00 - Photographie
Schätzpreis: 50.000 € - 70.000 €
Ergebnis: 59.520 € (inkl. Aufgeld)

August Sander

Der Maler Heinrich Hoerle
1928

Gelatinesilberabzug vor 1953. 28,8 x 21,8 cm. Unten rechts mit Prägestempel des Photographen. Umlaufend schwarzer Tuschrand. Auf Originalkarton aufgezogen, dort unten links mit Bleistift von fremder Hand betitelt. Rückseitig mit Papieretikett, darauf maschinenschriftlich beschriftet "August Sander: 'Köln wie es war'". - Abzug und Originalkarton mit Gebrauchsspuren..

Innerhalb des Kontextes seiner Arbeit an den "Menschen des 20. Jahrhunderts" nimmt die Gruppe V "Die Künstler" - und innerhalb dieser die Mappe 33 "Der Maler" - bei August Sander eine prominente Stellung ein. Seine persönliche Verbundenheit mit vielen Vertretern dieser Gruppe kommt hierin zum Ausdruck. Es ist die Monumentalität der asketischen Erscheinung und der bezwingende Blick, der das Portrait des Künstlers Heinrich Hoerle (ASA #V/33/3) so herausragend macht. "Das Bissig-Ironische, eher Ichbezogene seines Wesens wird vom Licht, das einen Teil des Gesichtes bestrahlt, als zweite Hälfte seiner Persönlichkeit offenbart." (zit. nach Arta Valstar-Verhoff, in: Zeitgenossen, a.a.O., S. 131) Für wie wichtig Sander selbst dieses Portrait erachtete, zeigt die Tatsache, dass er einen großen Abzug - zusammen mit einem Abzug des Portraits von Seiwert – im Arbeitszimmer seines Kölner Wohnhauses aufgehängt hatte. Heinrich Hoerle war ein wichtiger Vertreter und zugleich eine schillernde Figur der Kunstszene der 1920er Jahre in Köln. Neben seiner eigenen künstlerischen Arbeit engagierte er sich als Wortführer und Publizist für die Künstlergruppe der "Kölner Progressiven". Zwischen 1929 und 1932 war er Herausgeber der monatlich erscheinenden Zeitschrift 'a bis z', dem Organ der Gruppe progressiver Künstler, in dem Sander als einziger Photograph mehrfach Erwähnung fand. Hoerle verehrte das Werk August Sanders und war um dessen publizistische Verbreitung bemüht. 1925 schrieb er an Sander: "ich bin ganz begeistert von ihren aufnahmen! und sie werden sich wundern über die möglichkeit der wiedergabe in zeitschriften, wo ich auf die angabe der signatur: photo sander bestehen werde! [..] ich werde für ihren ruhm sorgen!" (vgl. Anne Ganteführer-Trier, in: Zeitgenossen, a.a.O., S. 60)
Gerd Sander erinnert sich rückblickend auf seine Kindheit an die Gespräche mit seinem Großvater über die Zeit vor 1933: "die maler und bildhauer seiwert, hoerle, adler, freundlich, schmitz, ronig wurden immer wieder erwähnt sowie der politiker görlinger, der schriftsteller mathar und l.f. gruber, edward steichen und viele andere. all diese menschen haben im leben von anna und august sander und ihrer familie eine grosse rolle gespielt." (Gerd Sander, in: Zeitgenossen, a.a.O., S. 211)
Es ist der oben genannte Robert Görlinger (1888-1954), dem Sander das hier vorliegenden Hoerle-Portrait im Jahr 1953 als Teil einer Mappe zu seinem 65. Geburtstag schenkte. Der SPD-Politiker war damals Oberbürgermeister der Stadt Köln. Die Mappe mit dem Titel "Köln wie es war" enthielt eine Zusammenstellung von Köln-Ansichten sowie Motive aus dem Umfeld der Kunstszene der späten zwanziger Jahre, der Görlinger offenbar ebenso nahestand wie Sander. Heinrich Hoerle tauchte neben dem hier vorliegenden großen Portrait noch auf zwei weiteren Aufnahmen auf, was als Referenz an den gemeinsamen Künstlerfreund gedeutet werden kann.
Mit der Schenkung brachte Sander seinen Dank und seine besondere Verbundenheit zum Ausdruck, denn Robert Görlinger war nicht nur ein Freund sondern auch ein engagierter Mitstreiter für die Belange der Photographie: Zusammen mit L. Fritz Gruber war er 1951 Gründungsvater und erster gewählter Vorsitzender der "Deutschen Gesellschaft für Photographie" (DGPh). Im Jahr darauf setzte Görlinger sich für den Ankauf von Sanders groß angelegtem Mappenwerk "Köln wie es war" mit 407 Abzügen, aufgeteilt in 16 Mappen, durch die Stadt Köln ein - gegen erhebliche Widerstände im Stadtrat, denn der Kaufpreis von 25.000 DM erschien damals einigen Ratsmitgliedern als überteuert. Der Ankauf selbst fand ein Jahr später 1953 statt. Die Schenkung der gleichnamigen, aber persönlich zusammengestellten Auswahlmappe an Görlinger im selben Jahr nimmt auf dessen Vermittlerrolle ohne Zweifel Bezug.
Als Görlinger 1954 überraschend verstarb, schrieb Sander an die frühere KPD-Politikerin Rosi Wolfstein-Fröhlich: "[Ich habe] im vergangenen Jahr einen sehr lieben Freud verloren, Robert Görlinger, den ich sehr vermisse in jeder Beziehung. Ich habe mit ihm viel gearbeitet und viel sollte noch getan werden, aber so ist das Leben." (DOK-1955-1/REWE-Bibliothek, in: Die Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur – August Sander Archiv, Köln)

Provenienz

Vom Photographen an Robert Görlinger; Privatbesitz, Deutschland

Literaturhinweise

Gunther Sander, August Sander. Menschen ohne Maske. Photographien 1906-1952, München 1971, Abb. 135 (größerer Ausschnitt); Beaumont Newhall (Hg.), Photographs of an epoch 1904-1959 by August Sander. Ausst.kat. Philadelphia Museum of Art, Millerton 1980, S. 29 mit Abb.; Coke van Deren, Avantgarde-Fotografie in Deutschland 1919-1939, München 1982, Abb. auf dem Buchtitel; Gerd Sander (Hg.), August Sander. "In der Photographie gibt es keine ungeklärten Schatten!", Ausst.kat. Staatliches Puschkin Museum, Moskau u.a., Berlin 1994, S. 139 mit Abb.; Gunther Sander (Hg.), August Sander. Menschen des 20. Jahrhunderts. Portraitphotographien 1892-1952, München 1994, Tafel 323 (größerer Ausschnitt); Die Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur, Köln (Hg.), Zeitgenossen. August Sander und die Kunstszene der 20er Jahre im Rheinland, Ausst.kat. Josef-Haubrich-Kunsthalle, Köln u.a., Göttingen 2000, S. 128 mit Abb.; Die Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur, Köln (Hg.), August Sander. Menschen des 20. Jahrhunderts, Bd. V. Die Künstler, München 2002, S. 117 mit Abb. (größerer Ausschnitt)