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Lot 239 Dα

Seltener und bedeutender Salonstuhl

Auktion 1105 - Übersicht Berlin
21.04.2018, 14:00 - Preußen II
Schätzpreis: 20.000 € - 22.000 €
Ergebnis: 24.800 € (inkl. Aufgeld)

Seltener und bedeutender Salonstuhl

Mahagoni und Mahagonifurnier, Ahorn, Eiche und Rohrgeflecht. Im Grundriss trapezförmige Zarge mit geflochtener Sitzfläche auf zwei vorderen gedrechselten und hinteren gebogen vierkantigen Beinen. Geschweift S-förmige Lehne mit einem Abschluss aus furniertem Sperrholz zwischen kannelierten Horizontalstäben. Gestempelt XIII, in der Zarge hinten Reste eines tintengeschriebenen Etiketts mit No. 19. 86 x 45,5 x 45 cm.
Carl Wanschaff oder Christian Sewening, das Modell von Karl Friedrich Schinkel, 1828/30.

Es wird vermutet, dass dieser Stuhl aus einem ursprünglichen Satz von 24 stammt, die für das Palais Cumberland in der Wilhelmstraße gebaut wurden. 1825-35 residierte hier Ernst August I. König von Hannover (1837), Herzog von Braunschweig-Lüneburg, 1. Herzog von Cumberland. Die Zuschreibung an diesen Stuhlsatz beruht auf einer Zeichnung von Georg Friedrich Laves, die zwei Stühle zeigt (den hier vorgestellten und einen weiteren) und 1832 datiert ist, heute im Staatsarchiv Hannover (LN2052).

Wesentlich bedeutender ist aber eine weitere Zeichnung von der Hand des Schinkel-Schülers Ludwig Lohde nach einem verlorenen Original von Schinkel, die sich im Kupferstichkabinett Berlin (SM 49.35). Es ist eine Entwurfszeichnung, und sie präsentiert den Stuhl frontal und seitlich, aber exakt genauso, wie er hier vor uns steht. Bei diesem Stuhl handelt es sich somit wahrscheinlich um das einzige identisch realisierte Exemplar nach einer vorliegenden Zeichnung.

Achim Stiegel schreibt in seinem Text zum Katalog von 2013: "Die Sichtung des (...) zusammengefassten Materials zum Schaffen Schinkels erweist den hier vorgestellten Stuhl als den reifsten Entwurf aller von dem Architekten verantworteten Stühle: abgesehen von den vergoldeten Prunksesseln und einigen wenigen gefassten Armlehnstühlen ist kein Stuhlmodell aus seiner Hand bekannt, das mit mehr Aufwand bedacht wäre. Wenn es um die Ausführung wirklich anspruchsvoller Werke der Möbelkunst ging, arbeitete Schinkel stets mit zwei Berliner Werkstätten zusammen: so kommen sowohl Carl Wanschaff wie auch Christian Sewening und Josef Schneevogl als Hersteller dieser außergewöhnlichen Stühle in Betracht. In den Augen von Johannes Sievers, selbst ein Nachfahre von Carl Wanschaff, war vor allem dieser Ebenist als ein Spezialist für helle Einlegearbeiten mit Schinkels Auftragen betraut. Den Quellen nach jedoch stand ihm Christian Sewening an Aufträgen nicht nach, und in jüngerer Zeit hat sich gezeigt, wie virtuos diese Werkstatt die Herstellung geschweifter und formverleimter Flächen beherrschte.“ (S. 10)

Johann Carl Georg Wanschaff (Braunschweig 1775 - 1848 Berlin) stand vermutlich ab 1806 in enger Verbindung mit Karl Friedrich Schinkel, der ihn als ausführenden Tischler seiner Entwürfe präferiert engagierte. Sein erster großer Auftrag war die Einrichtung der Zimmer für Prinz August 1816. 1829 wurde er als Hoftischler ausgezeichnet, auch durch die Empfehlung von Prinz Carl, für dessen Palais er die Ausstattung produzierte.

Der Entwurf, vor allem die Gestaltung der vorderen Beine, wurde inspiriert durch die römischen kline, die die Römer in halb liegender Position benutzten. Die gebogenen hinteren Beine finden sich ebenso beim griechischen klismos. Alle Elemente dieses Stuhls wurden mit eklektizistischer Selbstsicherheit neu kombiniert zu einem exemplarischen Möbel des preußischen Spätklassizismus. Karl Friedrich Schinkel entwickelte den Typus um 1825, für die Einrichtung des Sternsaals im Berliner Schloss. Auc hier war der ausführende Tischler Wanschaff. Eine etwas niedrigere bequemere Version wurde für Charlottenhof 1827 gebaut.
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Provenienz

Ehemals Privatsammlung Heinrich Thiele, einer von ehemals fünf dort bekannten Stühlen.

Literaturhinweise

Publiziert im Kat. Karl Friedrich Schinkel, Zwei Salonstühle Berlin 1828/30, Berlin 2013.
Vgl. Kat. K.F. Schinkel Möbel und Interieur, München-Berlin o.J., Nr. 13 und 26.