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Lot 254 Dα

Alexej von Jawlensky - Mystischer Kopf: Erde

Auktion 1110 - Übersicht Köln
01.06.2018, 17:00 - Moderne Kunst
Schätzpreis: 200.000 € - 250.000 €
Ergebnis: 285.200 € (inkl. Aufgeld)

Alexej von Jawlensky

Mystischer Kopf: Erde
1919

Öl auf Karton 35,7 x 29,6 cm Im Originalrahmen. Unten links rot signiert 'A. Jawlensky' und rückseitig schwarz betitelt, datiert und signiert 'Nach dem Kopf "Erde" 19 A. v. Jawlensky'. - Mit winzigen Nagelspuren im schmalen schwarzen Rand, die untere rechte Ecke minimal ausgerissen. Rückseitig mit der rotbraun übermalten Komposition eines weiteren Kopfes.

Emmy Scheyer, von Alexej von Jawlensky späterhin „Galka“ (schwarzer Vogel) genannt, trifft den Maler in seinem Schweizer Exil 1916, wohin er bei seiner kriegsbedingten Ausweisung aus Deutschland emigriert war. Eine spirituelle Anziehung und tiefe Freundschaft zueinander wird die Arbeitsgemeinschaft bis zu Jawlenskys Tod prägen. Galka Scheyer schreibt Artikel und organisiert Ausstellungen der Werke von Jawlensky wie beispielsweise die große Wanderausstellung zu Beginn der 1920er Jahre, in der sein Werk in allen Kunstmetropolen Deutschlands gezeigt wird - so vermutlich auch der hier angebotene „Mystische Kopf: Erde“.
Hatte Jawlensky bereits den Ausblick aus seinem Atelierfenster in Saint Prex in unterschiedlichsten „Variationen“ festgehalten, nimmt sich der Maler ab 1917 zunehmend seinen verschiedenen Serien von zumeist weiblichen Köpfen an. In diese Zeit fällt auch der „Mystische Kopf: Erde“, dem zwei recht ähnliche, mit demselben Titel versehene Arbeiten vorausgehen (s. Vergleichsabbildungen). Diese beiden Werke wird Galka Scheyer in den 1920er Jahren mit sich nach Amerika nehmen - eines wird sie später vermitteln, eines behält sie für ihre Sammlung, welche als Erbe zu Beginn der 1970er Jahre in das Norton Simon Museum of Art at Pasadena eingeht (vgl. M. Jawlensky/Pieroni-Jawlensky/A. Jawlensky 962, 963; Sara Campbell, Hg., The Blue Four. Galka Scheyer Collection, Los Angeles 1972, Kat. Nr. 139 mit Abb.).
Scheyer lernt zu Beginn der 1920er Jahre Lyonel Feininger, Wassily Kandinsky und Paul Klee kennen. Zusammen mit Jawlensky werden sich die Maler als lose Gruppe zusammenschließen und sich in Anlehnung an den „Blauen Reiter“ die „Blauen Vier“ nennen. Vermutlich auch vor dem ökonomischen Hintergrund - im Deutschland der Weimarer Republik herrschte eine dramatisch zunehmende Inflation - schließen die „Blauen Vier“ mit Galka Scheyer 1924 eine Art Vertrag „um als solche für Ausbreitung ihrer künstlerischen Ideen im Ausland, insbesondere durch Vorträge und Ausstellungen zu wirken. Sie [die Künstler] übergeben zu diesem Zwecke Frau Emmy Scheyer, die demnächst nach Amerika fährt, eine Reihe von Bildern und sonstiges Material, damit Frau Scheyer für sie in der angegebenen Richtung tätig wird. […]“ (zit. nach: Feininger, Jawlensky, Kandinsky, Paul Klee. Galka Scheyer zeigt The Blue Four in Amerika, in: du, Juni 1975, S. 21).

Ob die „Mystischen Köpfe“ von der starken Persönlichkeit Scheyers angeregt sind und „ihr auffallendes Gesicht, mit der gebogenen Nase und dem vorstehenden Kinn, den Anstoß zu einer neuen Vorstellung der weiblichen Gegenwart in seiner Arbeit gab“, so Anne Mochon, ist sicher nicht auszuschließen (dies., Inneres Schauen: Galka Scheyer und Alexej Jawlensky, in: Ausst. Kat. Alexej Jawlensky, Locarno 1989, S. 150). Aber die kleine Serie der drei „Mystischen Köpfe: Erde“ zeichnet sich durch einen hohen Abstraktionsgrad jenseits einer charakteristischen Porträtähnlichkeit aus.
Die Physiognomie des hier angebotenen Kopfes „Erde“ ist aus einzelnen flächigen, nicht modulierten, gegeneinander gesetzten Farbflecken gebaut; schwarze Konturen bezeichnen lediglich seine äußere Form und die Binnenstrukturen von Augen, Brauen, Nase, Mund. Gleichsam aus sich heraus leuchtend ist der weibliche Kopf, größtmöglich gegeben, eingepasst in das wie üblich schwarz umrandete Rahmenmaß.
„Der Künstler erweitert in diesem Schritt den Grad der Gegenstandsreduktion auf die Ebene gesteigerter Autonomie der Farbe“ (Kornelia von Berswordt-Wallrabe, zu den Aspekten von Fläche und Reihe im Werk Jawlenskys, in: Ausst. Kat. Alexej von Jawlensky zum 50. Todesjahr, Museum Wiesbaden 1991, S. 28).
Unser ehemals aus der bedeutenden Sammlung Ströher stammende Gemälde „Mystischer Kopf: Erde" besticht durch seine glühende Farbgestaltung in vermeintlich roh-expressivem Auftrag und seiner Konzentration auf das Wesentliche.

Werkverzeichnis

M. Jawlensky/Pieroni-Jawlensky/A. Jawlensky Vol. II 1060; Weiler 1959, 235

Zertifikat

Wir danken Angelica Jawlensky Bianconi, Alexej von Jawlensky-Archiv, Muralto, für ergänzende Informationen und wissenschaftliche Beratung.

Provenienz

Galerie Egon Günther, Mannheim (mit rückseitigem Stempel); Galerie Otto Ralfs, Braunschweig; Galerie Hella Nebelung, Düsseldorf; Sammlung Ströher; Lempertz, Auktion 469, 18.6.1962, Kunst des 20. Jahrhunderts, Los 283 mit Farbabb. Taf. I; Privatsammlung Baden-Württemberg

Ausstellung

Vermutlich Berlin/Hamburg/München/Hannover/Stuttgart/Frankfurt/Wiesbaden/Wuppertal-Barmen/Mannheim 1920/1921 (Galerie Fritz Gurlitt/Galerie Commeter, bzw. Kunsthalle Hamburg/Galerie Hans Goltz/Kestner-Gesellschaft/Württembergischer Kunstverein/Kunstsalon Ludwig Schames/Neues Museum/Ruhmeshalle/Kunsthalle), Alexej von Jawlensky, Kat. Nr. 26 o. Abb.; Vermutlich Dresden 1923 (Neue Kunst Fides); Mannheim 1947 (Galerie Egon Günther), Alexej von Jawlensky, mit Titelabb.; Braunschweig 1948 (Galerie Otto Ralfs), Alexej von Jawlensky, mit Titelabb.; Düsseldorf 1949 (Galerie Hella Nebelung), Alexej von Jawlensky und Josef Hegenbarth, mit Titelabb.; Essen 1998 (Museum Folkwang), Das Auge ist der Richter, Kat. Nr. 52 mit Farbabb.; Mannheim 2006-2018 (Kunsthalle), Dauerleihgabe