Max Beckmann - Lesende Frau - image-1

Lot 268 D

Max Beckmann - Lesende Frau

Auktion 1110 - Übersicht Köln
01.06.2018, 17:00 - Moderne Kunst
Schätzpreis: 35.000 € - 40.000 €
Ergebnis: 64.480 € (inkl. Aufgeld)

Max Beckmann

Lesende Frau
1946

Tuschfederzeichnung über Bleistift auf cremefarbenem Büttenpapier mit Wasserzeichen "PH ANTIQUE" 32,7 x 50,4 cm Unter Glas gerahmt. Unten links in der Darstellung mit Tuschfeder signiert, datiert und bezeichnet 'Beckmann A 29.12.46' sowie mit Bleistift von Mathilde Beckmann betitelt "Readin Women" [sic]. - Mit einem kurzen hinterlegten Randeinriss links und hellbraunen Fingerspuren am Oberrand.

„Beckmann wollte eine möglichst präzise Übertragung der Realität in eine gültige optische Form erreichen, die zwar ihre Zeit reflektiert, jedoch von da aus zu allgemeingültigen Aussagen gelangt, zu Werken, die unabhängig von der aktuellen Situation ihrer Entstehungszeit verstanden werden können“ (Carla Schulz-Hoffmann, „So lächerlich gleichgültig wird einem auf die Dauer dieses ganze politische Gangstertum und man befindet sich am wohlsten auf der Insel seiner Seele“, in: Ausst. Kat. Max Beckmann. Exil in Amsterdam, Amsterdam/München 2007/2008, S. 29).
1933 verliert Max Beckmann, einer der profiliertesten deutschen Gegenwartsmaler, seinen Lehrauftrag an der Städelschule und zieht in die anonymere Großstadt Berlin. Noch im Laufe des Jahres werden ihm Ausstellungen untersagt, und seine Werke werden aus den Museen entfernt. Unter den zunehmenden Repressalien der Nationalsozialisten verlässt Beckmann Deutschland und emigriert gemeinsam mit seiner Frau 1937 nach Amsterdam.
Die vorliegende Zeichnung „Lesende Frau“ entsteht im letzten Jahr seines Exils vor der Ausreise in die USA 1947 und ist formalästhetisch und in der zeichnerischen Auffassung durchaus in der Nähe seiner letzten, von Curt Valentin in New York herausgegebenen, Druckgraphikfolge „Day and Dream“ zu sehen in der Monumentalität des Frauenkörpers etwa des als Blatt 5 erschienenen Lithographie „Kriechende Frau“ oder dem vergleichbaren Habit im Blatt 11 „Der Morgen“ (vgl. Hofmaier 361, 367).
Lässig auf einer Bettstatt räkelnd ist die „Lesende“ dem Betrachter zugewandt im Spiel zwischen sibyllinisch anmutendem Versteck des Antlitzes und der Offenherzigkeit ihrer entblößten Brust. Die brennende Kerze mag nicht nur die erhellende Lektüre ermöglichen, sondern auch als erotische Allusion in der ikonographischen Tradition der holländischen Genremalerei verstanden werden - der verlorene Pantoffel pointiert diesen Aspekt.
Beckmann selbst scheint von der Qualität dieser bemerkenswerten Zeichnung so überzeugt gewesen zu sein, dass er sie in seinem Tagebuch mit einem eigenen Eintrag würdigt. Zwei Tage vor dem Jahreswechsel vermerkt er am 29. Dezember 1946:
"'Lesende im Bett bei Kerze' Zeichnung gemacht..." (Tagebücher 1940-1950, München/Wien 1979, S. 186).

Zertifikat

Die Arbeit wird in das in Vorbereitung befindliche Werkverzeichnis der Zeichnungen Max Beckmanns von Stephan von Wiese und Hedda Finke, Berlin, aufgenommen. Wir danken für freundliche Informationen.
Wir danken Mayen Beckmann für ergänzende Hinweise.

Provenienz

Privatsammlung Baden-Württemberg

Ausstellung

Bielefeld/Tübingen/Frankfurt 1977/1978 (Kunsthalle Bielefeld/Kunsthalle Tübingen/Städtische Galerie im Städelschen Kunstinstitut), Max Beckmann. Aquarelle und Zeichnungen 1903 bis 1950, Kat. Nr. 196 mit ganzseitiger Abb.; Mannheim 2006-2018 (Kunsthalle), Dauerleihgabe