Erwin Graumann
Junge Berlinerin
1925
Öl auf Leinwand 77,2 x 63 cm Gerahmt. Unten rechts schwarz signiert und datiert ,Graumann 1925.' sowie rückseitig auf der Leinwand mit dem Pinsel schwarz signiert und bezeichnet 'E. Graumann/ Bildniss II.'.
Erwin Graumann geht 1923 nach Berlin, um an der Hochschule der Bildenden Künste zu studieren, zunächst bei Hans Meid, später bei Karl Hofer, dessen Meisterschüler er von 1929-1932 wird. In diese Zeit fallen bereits mehrere Ausstellungsbeteiligungen, u.a. bei der Berliner Sezession sowie an einer von den Galerien Flechtheim und Cassirer gemeinsam veranstalteten Gruppenausstellung. Unter den Nationalsozialisten mit Arbeitsverbot belegt, verlässt Graumann 1935 Deutschland, um sich zunächst in Kopenhagen und ab 1936 in Paris niederzulassen. Nach Internierungen in Frankreich 1939 und 1941 gelingt ihm 1943 die Flucht in die Schweiz, wo er bis Kriegsende in Genf lebt. 1945 geht er nach Paris zurück und lebt, inzwischen französischer Staatsbürger, bis zu seinem Tod 1988 wahlweise in Paris und Genf.
Das während Graumanns Studienzeit entstandene „Berliner Mädchen“ zeugt bereits von einer ausgesprochenen malerischen Reife. Fast widerspenstig sitzt die Porträtierte auf einem hohen Stuhl, das von einem mondänen burgunderroten Vorhang hinterfangen wird. Ihr stechender Blick mit leicht zusammengekniffenen Augen geht knapp am Betrachter vorbei, die überkreuzten Arme und die zur Faust geballte rechte Hand vermitteln eine zusätzliche innere Abwehrhaltung. Das fahle Gesicht, aus dem die blauen Augen und der volle Mund umso mehr hervortreten, läßt an dunkle Berliner Hinterhöfe und prekäre Lebensverhältnisse denken.
Zu den näheren Umständen der Entstehung des Bildes führte Graumann später aus: „Und dann lernte ich Behrens-Hangeler [Maler, Mitglied der Berliner „Novembergruppe“ 1921-32] kennen. Sein Vater hatte viel Geld. Die wohnten am Lützowplatz. Behrens-Hangeler hatte ein Atelier unter dem Dach mit einer großen Kammer. Dort habe ich die ersten Bilder gemalt, 1925, das „Berliner Mädchen“ und Stilleben. […] Behrens-Hangeler bezahlte immer die Modelle aus der Kunstakademie. […] Behrens war das zu langweilig, und er sagte zu mir: Lerne doch mal ein Mädchen kennen! Und so habe ich in der U-Bahn gegenüber von einem Mädchen gesessen, das sehr ärmlich gekleidet war. Und dann sagte ich: Ich möchte Sie malen, wollen Sie nicht Modell sitzen? Nicht nackt! Und dann habe ich ihr die Adresse gegeben, und sie kam zu uns, ins Atelier von Behrens-Hangeler, und wir haben jeder ein Bild von ihr gemalt.“ (zit. nach: Peter Barth, Düsseldorf 2002, op. cit., S. 23 f.)
Werkverzeichnis
Syamken G 2
Provenienz
Privatsammlung Nordrhein-Westfalen
Literaturhinweise
Georg Syamken (Hg.), Erwin Graumann. Malerei und Grafik, Ausst. Kat. mit Werkkatalog, Städtisches Kunsthaus Bielefeld, Bielefeld 1966, S. 13 mit Tafel S. 11; Jacques Goldschmidt, Graumann, Paris 1977 (le musée de poche), mit Abb. o.S.
Ausstellung
u.a. Berlin 1928, Deutsche Kunstgemeinschaft; Berlin 1928, Junge Berliner Kunst; Bielefeld 1966 (Städtisches Kunsthaus), Erwin Graumann. Malerei und Grafik, o. Kat. Nr.; Düsseldorf 1980 (Galerie Remmert und Barth), Erwin Graumann. Ausgewählte Werke 1925 bis 1965, Kat. Nr. 1 mit Abb.; Düsseldorf 1990 (Galerie Remmert und Barth), 10 Jahre Remmert und Barth. 1980 -1990. Ausgewählte Werke, Kat. Nr. 62 mit Farbabb.; Düsseldorf 2002 (Galerie Remmert und Barth), Erwin Graumann - 100 Werke zum 100. Geburtstag, Kat. Nr. 2 mit Farbabb. und Titelbild